All die bislang vorgestellten Pyramidenrätsel stammen aus dem letzten Jahrhundert und sollten längst in Frieden ruhen. Sie leben fort, da sie von Autoren, die wahrscheinlich nicht die geringste Kenntnis über Ursprung, Inhalt und Sinn dieser Rätsel haben, immer wieder hervorgezerrt und für eigene Rätselhaftigkeiten missbraucht werden. Mit Voodo-Ritualen aufgepäppelt, wanken sie leer und Inhaltslos auch heute noch, über 100 Jahre nach ihrer Widerlegung durch die populäre Pyramidenliteratur.
Es gibt aber auch positive Ausnahmen. Autoren die nicht zur Abschreiberriege zählen, sondern eigene, innovative Ideen verfolgen. Einer von ihnen ist der Physiker Dr. Wolfgang Feix, der die Pyramidologie mit neuem, wissenschaftlich geschulten Sachverstand angeht, und an der Entschlüsselung versteckter Nachrichten in der Cheopspyramide arbeitet. Im Jahre 1988 verfasste er einen Aufsatz[ 1 ], in dem er die Baueigentümlichkeiten in der Cheopspyramide und in der Sonnenpyramide von Teotihuacan als Hinweis daraufhin deutete, daß beide Bauten als Zeitkapseln gebaut wurden, in deren Außenmaßen eine geheime Botschaft versteckt ist: "Kommuniziere auf Frequenz 1.420 GHz mit dem Stern Alpha Centauri". Die folgende Seite ist die überarbeitete Zusammenfassung meiner Besprechung eines Teils dieser These, die Cheopspyramide betreffend, aus der archäologischen Zeitschrift "G.R.A.L." 6/95.
Dr. Feix hat einen sehr vielversprechenden Ansatz, der die Hauptkritik an der typischen Pyramidenmathematik umgeht. So gelten viele "Beweise" nur in ganz bestimmten Maßsystemen wie Meter oder Zoll und setzen daher hellseherische Fähigkeiten der Astronauten-Erbauer voraus. Dr. Feix hingegen fordert völlig zurecht, daß alle in der Pyramide enthaltenen Werte so codiert sein müssen, so daß sie ohne Kenntnis der verwendeten Maßeinheit zu verstehen sind. Die Baumeister haben diese daher direkt ablesbar eingebaut oder zumindest einen 'Meterstab' eingebracht, der eindeutig auf die verwendeten Basisgrößen hinweist.
Dr. Feix geht davon aus, daß die sinnvollste Hinterlassenschaft einer raumfahrenden Rasse in einer Zeitkapsel die Koordinaten ihres Heimatsystems sowie die Angabe einer Frequenz ist, auf der eine Kommunikation über Radiowellen durchgeführt werden könnte. Auf der Prämisse dieser Theorie fordert er, daß ein Bauwerk mehrere Eigentümlichkeiten haben muss um als Botschaftenspeicher erkannt werden zu können.
Diesen Überlegungen von Dr. Feix kann voll zugestimmt werden.
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Wie leider schon viel zu oft geschehen wird Dr. Feix seinen heheren Motivationen schon wenige Zeilen später untreu. Er deutet, wie viele Pyramidologen vor ihm, die geheimnisvolle Zahl Pi als Rufsignal einer außerirdischen Rasse. Nur gibt es dieses Rufsignal nicht, da die Näherung von Pi wie wir schon sahen nur durch das 1:22-Baumaß in der Pyramide vorhanden ist. Und für das Werk einer außerirdischen Rasse ist die in Giza eingebaute Näherung zu ärmlich, mit einer Abweichung bereits in der dritten Stelle (oder einem Baufehler von knapp 10 Zentimetern - undenkbar, selbst mit heutiger Technik). Ach ja, wieso können wir die Maße der Pyramide so genau bestimmen, werde ich des öfteren gefragt. Ganz einfach: Die Baumeister meißelten allerlei Richtpunkte und Vermessungslinien direkt in den Felsboden, auf dem die Pyramide steht. Die Außenmaße sind daher auch noch heute, obwohl der komplette Mantel fehlt, auf wenige Millimeter genau bestimmbar! Im Prinzip ist die Arbeit bereits an dieser Stelle hinfällig, sehen wir aber dennoch weiter.
Dr. Feix postuliert, daß das Bauwerk den Wunsch einer Kommunikation über Radiowellen darstellt, und daher auch die gewünschte Kommunikationsfrequenz eincodiert enthält. Die Plaketten unserer Pioneer- und Voyagersonden, die dabei sind unser Sonnensystem zu verlassen, enthalten ebenfalls Frequenzangaben. Die universellste Frequenz ist die des sogenannten 'Hyperfeinübergangs des neutralen Wasserstoffs' bei einer Wellenlänge von rund 21 Zentimetern. Diese Frequenz ist eine Art universeller kosmischer Maßstab. Das ganze Universum ist erfüllt mit dem Krachen, Pipsen und Rauschen unterschiedlichster natürlicher Radioquellen wie Quasaren, Pulsaren, aktiven Galaxien, schwarzen Löchern oder Radio-aktiver (nicht radioaktiver!!) Planeten. In dieser elektromagnetischen Kakophonie, die das gesamte Radioband überdeckt, ist das Entdecken künstlicher Signale fast ausgeschlossen. Einige wenige Frequenzen sind aber still. Auf der 21 cm-Welle befindet sich nur ein gleichmäßiges, sanftes Rauschen des überall im Universum vorhandenen Wasserstoffs, jedes künstlich erzeugte Signal auf dieser Frequenz würde wie ein Leuchtfeuer hervorstechen. Eine Kommunikation würde daher mit aller Wahrscheinlichkeit dort, bei einer Frequenz von 1.42 GHz erfolgen, deren Wellenlänge dann in dem Bauwerk als 'Meterstab' eingebaut sein müßte.
Dr. Feix folgert:
Dieser ausgezeichnete Maßstab (21.106 cm) kann dazu dienen, Zahlen auf der Längenachse zu speichern. Eine einfache Art der Speicherung ist es, diejenigen Vielfachen von l0 (Dr. Feix` Bezeichnung für das 'Koordinaten-Lineal'), die der gewählten Zahl entsprechen, im Monument zu markieren, z.B. durch die Wahl von Längen und Höhen des Bauwerks."
Die Pyramidenseite soll also eine Botschaft enthalten, die aus dem Mehrfachen einer Lineallänge besteht, die ihrerseits das Produkt der Kommunikationswellenlänge und einer Zeiteinheit ist. Diese Zeiteinheit sei zu verstehen als Strecke, die das Licht in dieser Zeit zurücklegt und sei daher eine direkte kosmische Entfernungsangabe. Als Zeiteinheiten sind Sekunden oder Minuten ungeeignet, da diese erst aus der Neuzeit stammen, die kosmischen Auftraggeber müssen also auf Zeiteinheiten zurückgreifen, die völlig natürlich definiert sind. Da kosmische Entfernungen sehr groß sind, wäre die Lichttag- und Lichtmonat-Angabe sinnlos, daher folgert Dr. Feix, daß nur das Lichtjahr als Entfernungsangabe in Frage komme. Die von ihm postulierte Linealeinheit l0 besteht deshalb aus der Zahl 365.2422 als Zeiteinheit und der Kommunikations-Wellenlänge. Diese "Symbollänge" L0 von 77.09 Metern ergibt sich auf diese Weise.
Teilt man die Pyramidengrundseite durch die Symbollänge, erhält man laut der ursprünglichen Prämisse die Entfernung des Zielsystems in Lichtjahren (LY = Light Years). Dr. Feix erhält als Ergebnis dieser Rechnung, angewandt auf die Cheopspyramide, nur eine "3", und in 3 Lichtjahren befindet sich kein Stern, auch nicht vor Zehntausenden von Jahren. Dies ist ein Verstoß gegen die von ihm selbst definierte Eingangsgrundlage, denn seine Lösung lautet: L0 ist nur dreimal in der Grundseite enthalten und muss noch mit einem weiteren Wert multipliziert werden, um die Endposition zu erhalten.
Er benötigt aber immer noch ein ganzzahliges "Aufgehen" seiner Lineallänge in der Pyramide, und auch da gibt es Probleme: Nimmt man die heutzutage anerkannten und untermauerten durchschnittlichen Pyramidenmaße von 230,38 Metern für die Grundseite, und teilt dies durch L0, erhält man einen Faktor von 2,988! Knapp daneben ist auch vorbei, die Pyramide müßte 231,27 Meter breit sein um Dr. Feix' Auflage zu erfüllen - 79 Zentimeter breiter als in Natura!
Kein Problem, meint Dr. Feix, und klärt dazu auf:
"...3 x L0 = 231.26 m ist mit der Basislänge a der Cheopspyramide in Idealform identisch. Sie ist die symbolische Darstellung der Längeneinheit '3 Lichtjahre(3 LY)'
[...]
Wegen der präzisen Bauweise der Pyramide, der exakten Herstellung der Kalkquader und der noch vorhandenen Spuren der abgetragenen Quader lassen sich die ursprünglichen Masse mit großer Genauigkeit angeben: Basislänge 230.38 m und Höhe 146.6 m.
Durch die stufenförmige Quaderstruktur auch der Verkleidung weicht die Große Pyramide minimal von ihrer idealen Geometrie ab. Wird die Idealform auch über die letzte Stufe hinaus extrapoliert so ergibt sich eine leicht vergrößerte Basislänge von 231.20 m und eine Höhe von 146.94 m."
Diese Ausführung von Dr. Feix macht seine gesamte Arbeit wertlos. Die Cheopspyramide ist das am besten vermessene antike Bauwerk der Welt. Dr Feix "feilt" die Maße aber ohne jeden Beleg und ohne Quellenangabe passend zurecht. Anscheinend geht er davon aus (oder versucht seinen Lesern zu verkaufen) daß die Ägypter ihre Pyramiden nicht mit angeschrägten Blöcken, sondern normalen rechteckigen Quadern eindeckten - schon die paar erhaltenen Verkleidungsblöcke der Cheopspyramide, oder die noch komplett gedeckte Spitze der Chephrenpyramide sollten ihn eines Besseren belehren! Über die Herkunft seiner Pyramidenmaße schwieg er daher auch bei einer Erwiderung, die in der Folgeausgabe des G.R.A.L. erschien...
Pikant ist auch, daß die Originalpyramide (mit den Maßen der Ägyptologen) den von Dr. Feix benötigten Wert von Pi mit einem Fehler von 0.04% enthält. Seine 'Korrektur' beschert uns aber plötzliche eine zehnmal größere Abweichung! Durch die für seine These notwendige 'Korrektur' der Maße zerstört er auch die letzten Spuren seines geforderten Rufsignals!
Aber auch "Kommuniziere mit Ziel in 3 LY Entfernung" wäre eine sinnlose Angabe, daher benötigt Dr Feix, wie schon erwähnt, einen Multiplikator. Und dieser ist - Sie raten es vielleicht schon - Pi! Ja, genau das Pi, welches Dr. Feix mit seiner Baukorrektur unwiederbringlich zerstörte, und das seiner Eingangsprämisse zufolge als Rufsignal völlig getrennt von der eigentlichen Botschaft sein sollte!!!
Pi erhält man, indem die doppelte Pyramidenbasis durch die Höhe geteilt wird. Die Entfernungscodierung findet nur auf einer Pyramidenseite statt, daher sei der Multiplikator der Entfernung Pi/2. Daraus erhält man, so Dr. Feix, die Entfernung zu Alpha Centauri im Jahre 2600 v. von 4.712 LY.
Sein Beleg dafür stellt einen weiteren Höhepunkt dar, denn:
"Die Entfernung von 4.712 LY weist auf das Dreifachsystem Alpha Centauri ... hin. Es ist unser Nachbarsystem und hat von der Sonne die Entfernung 4,34 LY ... . Bezieht man die Relativbewegung von 24,4 km/s zur Sonne ein, hätte das System AB 2600 v. Chr., zur geschätzten Zeit des Pyramidenbaus, eine Entfernung von 4.712 LY"
Dem Mathematiker, Ingenieur oder Physiker kräuseln sich hier die Fußnägel. Eine Entfernung mit zwei Nachkommastellen, multipliziert mit der Geschwindigkeit mit einer Nachkommastelle gibt ein Ergebnis mit drei Nachkommastellen. Autsch. Sowas nennt sich Datenanreicherung. Natürlich muss man das Ergebnis der Berechnung auf die Genauigkeit des Ausgangswerts, 2 Nachkommastellen, runden.
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Doch sogar dort gibt es Ungereimtheiten. Seine Sternentfernung entnahm er dem DTV-Atlas Astronomie. Nichts dagegen, aber für eine wissenschaftliche Arbeit sollte man doch besser auf astronomische Tabellenwerke zurückgreifen Denn: Sternentfernungen lassen sich nicht exakt angeben, sondern nur in gewissen Fehlerintervallen, und die vermisse ich bei Dr. Feix.
Alpha Centauri ist der Erde sehr nahe, daher kann man direkt die Parallaxe messen, den kleinen Kreis den ein Stern im Laufe eines Jahres durch den Erdbahndurchmesser vor dem Hintergrund weit entfernter Sterne beschreibt. Der zur Zeit des Aufsatzes gängige Werte für die Parallaxe war 0,751" +/- 0,009" (entnommen dem Yale Catalogue of bright Stars, 3. Auflage). Da Dr. Feix eine dreistellig Endentfernung haben will, kann man diese aus den Daten berechnen. Sie lautet: "4.343 +/- 0,053 LY". Verblüffend: Mit dieser korrekt ermittelten Anfangsentfernung und Dr. Feix' Geschwindigkeit landet man im Jahre -2600 schon 0,003 Lichtjahre/28 Milliarden Kilometer/189 AU oder den doppelten Sonnensystemdurchmesser daneben. Ist das vielleicht der Grund für die nur zwei Dezimalen große Anfangsentfernung???
Der nächste zweifelhafte Punkt: Seine Geschwindigkeit. So entnimmt er die Entfernung dem DTV-Atlas Astronomie, über die Herkunft seiner "Relativgeschwindigkeit" von -24.4 km/s schweigt er sich (ebenso wie über seine "neuen" Pyramidenmaße) aber völlig aus! Ich verwende ein Tabellenwerk aus dem Studium, den "Yale Catalogue of Brigh Stars", ein Buch ohne jedes geschriebene Wort, in dem als Computerausdruck einfach nur seitenweise Sterne und ihre wichtigsten Angaben wie Parallaxe, Eigenbewegung, Spektraltyp usw. aufgelistet sind. Und dort steht eine Radialgeschwindigkeit von -25 km/s! Sollte diese Angabe stimmen, würde sich die Entfernung um weitere 0,009 LY/86 Mrd km erhöhen.
Schade, nach einem guten Auftakt stellt sich auch diese moderne pyramidologische Deutung als Schuss in den Ofen heraus. Aufgelistet noch einmal kurz die wesentlichen Kritikpunkte:
Nun ist Dr. Feix kein "Irgendwer", kein Schweizer Hotelier ;-) oder Reiseleiter, sondern ein Doktor der Physik. Er missachtet aber alles, was einem bereits im Grundstudium dieses Lehrgangs beigebracht wird.
Dr. Feix' grundlegende Forderung ist nicht falsch, leider entwickelt sich seine Theorie aber zunehmend zum Suchrätsel. Ein weiteres Problem welches ich mit seiner Arbeit hatte ist das notwendige Ratespiel, um die Lösung des Problems zu erhalten. Man muss erraten, daß die Baumeister die 21-cm-Frequenz eincodiert haben, um den Rest der Botschaft entschlüsseln zu können. Es gibt aber noch weitere gute Kommunikationsfrequenzen, zum Beispiel bei 18 cm. Mit dieser Frequenz erhielte man einen Wegweiser auf Barnards Stern in rund 5.5 Lichtjahren Entfernung.
Außerdem muss richtig geraten werden, daß die Jahreslänge als "365.2422" als Meterstab eingebaut ist. Die Astronauten können genauso gut nur '365' zur Symbolisierung der Jahreslänge verwendet haben. Da sich die Länge des tropischen Jahres mit der Zeit ändert, wäre eine solche Angabe sogar sinnvoller gewesen! Damit hätte die Pyramide 20 Zentimeter schmaler als Dr. Feix' 'Idealpyramide' gebaut werden müssen.
Weiterhin muss richtig geraten werden, daß Pi als Rufsignal, die Hälfte davon aber als Enfernungsmultiplikator eingesetzt wird. Für meinen Geschmack mindestens zwei Ratereien zu viel, dieses Modell ist nicht eindeutig und es lassen sich beliebig viele andere gut begründete Lösungen finden. Es fehlt im Gegensatz zu den Kontaktplaketten an unseren Raumsonden ein eindeutig eingebauter Schlüssel zur Decodierung. Die Pioneersonde enthält zum Beispiel eine Zeichnung eines Wasserstoffmoleküls mit umklappenden Spinzuständen der Elektronen - ein eindeutiger Hinweis auf die 21 cm-Linie, die dann auch konsequenterweise für alle Längen- und Frequenzangaben auf der Plakette verwendet wird. Die Position der Sonne wird durch Richtungsangabe zu verschiedenen Pulsaren markiert, deren Frequenzen in Einheiten dieser 21 cm-Wellenlänge angegeben wurden. Bei der Pyramide hätte man zum Beispiel alle Steine im 21 cm-Format halten können, und alle (365 x 21) cm eine Schicht aus anderem Material einbauen können. Oder man hätte in der Pyramide selbst, zum Beispiel in der großen Galerie, einen 'kosmischen Maßstab' einbauen können. Derartiges findet sich aber nicht.
Wie könnte eine Expedition Außerirdischer eine bessere Zeitkapsel oder ein eindeutiges Rufsignal bauen?
All dies wäre ein sicheres Indiz für die Einwirkung einer höheren Kulturstufe der Baumeister.
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