Ausgrabung Verbote machen eigentlich immer neugierig. Betreten verboten - da muß man einfach hin. Oder geht es ihnen da anders? Wir jedenfalls verfielen heute dem "betreten verboten", denn unsere Tour führte uns zu drei eigentlich gesperrten Zielen, die touristisch so unbekannt sind, daß man sie noch nichtmal auf normalen Karten findet. Abusir soll für den Tourismus freigegeben werden, ist es aber noch nicht. Die Schichtpyramide von El-Aryan (der kleine rote Punkt zwischen Abusir und Giza) steht mitten in einem militärischen Sperrgebiet, und der Ort ist so unbekannt, daß Bakr meine Informationen benötigte um überhaupt dahin zu finden(!). Abu Roasch, der kleine Punkt nördlich von Giza, ist Ausgrabungsgebiet, und Bakr mußte sich dort solange durchfragen bis Ortsansässige sich bereit erklärten, mit einem Jeep vorauszufahren. Alles schwierige Ziele. Rainer war daher recht pessimistisch und rechnete damit, nicht mehr als Abusir zu sehen. Aber wir wurden positiv überrascht :-)

Der heutige Tag ist mehr oder weniger frei von Grenzwissenschaft - die Kernbohrungen für die Abusir ja so berühmt ist (und die es ja nur da geben soll) hatten wir in den letzten Tagen so oft gefunden, daß wir an diesen heute nur noch gähnend an ihnen vorüber gingen. El-Aryan und Abu Roasch sind für Grenzwissenschaftler noch nie interessant gewesen. Außer für Bauval, der eine Ausschachtung in El-Aryan (die leider mitten auf einem Kasernengelände liegt) und die Pyramide in Abu Roasch dem Nachbau des Sternbilds Orion durch die Ägypter zuschlagen will. Beide Bauten machen da aber Probleme: Zum einen ist nicht mal geklärt, ob die Ausschachtung der 4. Dynastie zugerechnet werden kann - nur die hat ja anscheinend den Drang verspürt ein Sternbild nachzubauen, zum anderen war der Stern, der Abu Roasch repräsentieren soll zur angeblichen Planungszeit der Pyramiden im Jahre 10500 v. Chr. so tief stehend, daß er überhaupt nicht über den Horizont kam. Peinlich, peinlich.

Die Geier von Abusir

Rainer klagt auf seiner Homepage über die "Geier von Abusir". Ich muß gestehen, im Nachhinein muß ich über die Geschäftstüchtigkeit der Leute schmunzeln, den sie führten uns wie ausgefuchste Juristen an der Nase herum :-)

Rainer und ein Abusir ist noch für den normalen Tourismus gesperrt, daher hat man dort kein Häuschen wo man die Eintrittskarte kauft und dann gut. Hier ist man auf das Wohlwollen der Wächter angewiesen, und die nutzen dieses weidlich aus.
Bakr handelte im Vorhinein einen Preis mit den Wächtern aus - 10 Pfund für den Eintritt. Aber auch er hatte nicht mit dem Geschäftssinn der Wächter gerechnet. Klar, für 10 Pfund kamen wir aufs Gelände. Aber schon als wir uns der Pyramide von Sahure näherten, ging es los. Nein nein, da können wir nicht hin. Gesperrt.
Aber Moment, wir haben doch gezahlt für den Eintritt. Ja, aber nur fürs Gelände und nicht für die Pyramiden. :-)))
Und so gings dann los. Für fast jeden Stein, für jedes Pflaster und jede Pyramide wurden uns die Pfundnoten aus den Händen gerissen. Trotz der eisernen Beharrung auf der Ein-Personenkasse bei Rainer - jeder mußte zahlen. Gegenwehr zwecklos, ich vermute daß uns alleine dort mehr als 100 DM abgezockt wurden.

Wer hat die Preise so kaputt gemacht, fragt Rainer. Die Antwort darauf konnte ich persönlich "bewundern": Zwei Südstaatenamerikaner mit knallbunten Shorts, Cowboyhut und Kaugummiakzent wurden in eine Mastaba gelassen in der ich auch gerade war - und drückten dem Wächter unaufgefordert mit einem breiten "Here, for you, boy" (der Wächter dürfte um die 60 Jahre als gewesen sein!!!) mehrere 10-$-Scheine nur fürs Aufschließen der Tür in die Hand.

Die Pyramiden von Abusir

Niuserre, Neferirkare...sind nicht nur wegen ihrer Kernbohrungen interessant. Sie stellen das letzte Zucken dar, noch einmal an die großen Pyramidenbauer der 4. Dynastie anzuknüpfen. Niuserre und Neferirkare bauten letztmalig Pyramiden, die auch auf dem Giza-Plateau nicht verloren aussehen würden, letztere ist immerhin wieder größer als die Mykerinos-Pyramide. Rätselhaft für die Ägyptologie ist aber die unerklärliche Tatsache, daß ausgerechnet diese Pyramide in ihrer ersten Bauphase als echte Stufenpyramide realisiert wurde! Warum dieser Rückschritt? Eines der echten Geheimnisse Ägyptens, das noch auf seine Lösung wartet...

el Aryan

Pyramide von el-AryanIn el-Aryan gibts zwei Nicht-Sehenswürdigkeiten :-). Eine gigantische Ausschachtung einer Pyramide mit rund 200 Metern Kantenlänge, die die Ägyptologie aktuell einem unbekannten König der 4. Dynastie zuschlägt (und die noch vor 15 Jahren der 3. Dynastie zugerechnet wurde), und eine kleine Stufenpyramide, deren Zuordnung in die 3. Dynastie zwar feststeht, die aber ebenfalls nicht sicher einem Herrscher zugeordnet werden kann.

Mauer Schichtpyramide1997, als ich noch intensiv an meiner Bauval-Recherche arbeitete, wollte ich eigentlich unbedingt die Ausschachtung besuchen. Mein damaliger Taxifahrer Fati Ali wußte sofort wohin (seine Verbindung zu ehemaligen Grabräubern hatte er nie abgestritten :-) ), aber leider fanden wir schnell heraus, daß die Ausschachtung mitten auf einem umzäunten Kasernengelände liegt und damit definitiv unerreichbar ist. So blieb Stefan und mir damals nur noch das Zweitziel - was sich als Volltreffer herausstellte. Die kleine Schichtpyramide ist geradezu ein Lehrbuchbeispiel für die damalige Bauweise, nicht verzahnte Mauerringe gegeneinander zu lehnen und aneinander abzustützen. Eine Bauweise, die noch ganz auf Lehmziegel abgestimmt ist, für Steinbauten aber fatal sein kann. Besonders eindrucksvoll kann man dies im Kern der Pyramide sehen, der komplett aufgegraben ist. Natürlich machte ich erstklassige Fotos davon - die ich ein paar Tage später ruinierte, da ich den Film im ägyptischen Museum noch einmal verwendete :-(((

Rainer auf Pyramide vor FliegerAlso mußte ich dieses Jahr noch einmal hin, und auch für Rainer war es Pflicht. Bakr kannte sich nicht so gut aus, aber nach einer halben Stunde Durchfragerei (ich konnte mich nur noch vage an die Richtung erinnern) waren wir am Ende des Dorfs und sahen den Trümmerhaufen der einstmals eine Pyramide gewesen war. Unsere Gesichter wurden aber länger als wir feststellten, daß die Ägypter eine Kasernenmauer mit Wachtürmen bis unmittelbar an den Pyramidenfuß, und eine Stacheldrahtbarriere gar quer über die Pyramide selbst gebaut hatten :-( Der Kern und der Eingang auf der Nordseite war daher versperrt. Vorsichtig, im Schatten der Hügel, pirschten wir uns an die Nordost-Ecke heran und konnten in der Tat noch ein paar schöne Baustudien photographieren und filmen. Als aber plötzlich 5, 6 Soldaten mit MP's über die Mauer sprangen und in unsere Richtung marschierten machten wir aber doch daß wir weg kamen :-)

Abu Roasch

Einer der letzten weißen Flecken für mich war die Pyramide von Djedefre, des ältesten Sohns von Pharao Cheops. Als Bauwerk ist sie sicher nicht interessanter als die Stufenpyramide in el-Aryan, sie birgt aber noch etliche ägyptologische Geheimnisse.
Die Pyramide besitzt einen einmaligen Bauplatz: Direkt an einem über 100 Meter hohen Steilabfall ins Niltal gelegen überragt sie jeden anderen Monumentalbau. Ihr Aufweg ist der längste und steilste aller Pyramiden, und das Hochschleppen der Steine zu diesem Bauplatz muß eine Plackerei ohnegleichen gewesen sein. Ein Ägyptologe äußerte daher einmal in einem Diskussionsforum: "Gegenüber der Anlage von Djedefre sahen die Bauvorhaben von Ludwig II aus Bayern geradezu rational aus".
Von ihrer Position aus hat man einen unglaublichen Blick über Giza und (mit weniger Dunst) über sämtliche Pyramidenanlagen des alten Reichs!

Giza von Abu Roasch aus

Unter den Ägyptologen herrschte seit Jahrzehnten ein Streit darüber, ob die Pyramide in einem 60-Winkel gebaut wurde (gefundene Deckblöcke wiesen diese Neigung auf) oder ob die Pyramide völlig untypisch für ihren horizontal gemauerten Stufenkern ein geneigtes Fundament für die Deckblöcke besaß. Dieses Rätsel ist inzwischen eindeutig geklärt, denn das freigelegte, schneeweiß schimmernde Fundament weist eindeutig außen eine um rund 10 geneigte Basis für zwei äußere Steinlagen auf!
Djedefre soll laut Königslisten nur 8 Jahre regiert haben - bei jüngsten Ausgrabungen konnte man ihm aber schon eine weit längerer Regierungszeit zuordnen!

Abdeckblock Abu Roasch geneigtes Fundament Abu Roasch

Unglaublich beeindruckend ist die gewaltige Ausschachtung, die hinab in die geplante Grabkammer führt. Natürlich kraxelten wir dort hinunter und fotografierten jeden Quadratmeter - ach ja, sagte ich schon, daß das ganze Gelände Ausgrabungsgebiet (Zutritt verboten) ist? :-)

Grabschacht Djedefre   Schacht Blick nach oben

Klar erkennbar ist bei der Pyramide die vermehrte Ausnutzung des Felskerns. Schätzungsweise 10 m hoch wurde der einstmals das Kliff krönende Hügel zur Pyramide "umgemeißelt". Wirklich beeindruckend.
Die Anlage ist übrigens nur über eine automordende Steilpiste zu erreichen, bei der wir manchmal den Totalverlust von Bakrs Taxi fürchteten. Für den Rückweg wählten unsere beiden Führer, die in einem (geländegängigen) Pickup voran fuhren, einen flacheren Weg. Vergebens. Zu Fuße des Kliffs, unmittelbar vor dem Dorf Abu Roasch, endete die Steigung zu plötzlich - und unser Taxi steckte fest. Vorne und hinten nur durch die Stoßstangen gehalten, und mit dem Bodenblech auf einem Hügel sitzend, hingen alle vier Räder in der Luft. Nach einigem Rütteln und Schaukeln ging es dann aber doch noch ohne Probleme zurück ins Hotel.

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