Rote PyramideUnser nächstes Ziel sind die in meinen Augen beeindruckendsten Pyramiden Ägyptens, die bei Dahschur. Gewaltig, und noch praktisch unerforscht. Mehr als ein halbes Jahrhundert lagen sie in einem militärischen Sperrgebiet und waren weder der Öffentlichkeit noch den Forschern zugänglich. Erst 1997, kurz vor meinem letzten Ägyptenbesuch, wurden sie freigegeben. Und sie sind phantastisch. Die nördliche Pyramide, weil sie aus rötlichem Kalkstein gebaut wurde "rote" genannt (wie hier auf einem Bild von 1997 eindrucksvoll zu sehen), wirkt massiger als jede Pyramide in Giza, und die südlichere Knickpyramide steigert diesen Eindruck noch durch ihre zeltartige Konstruktion (zu der wir bald mehr auf Rainers Homepage lesen können?!?)

Knickpyramide Beide Pyramide stehen tief in der Wüste, und so gut wie noch gar nichts ist dort ausgegraben. Der Eindruck, wenn man zwischen beiden Bauten umherwandert (wie ich es 1997 tat) ist überwältigend. Die Einsamkeit, der Sand, der unendliche Horizont, und diese beiden gewaltigen Bauwerke. Ich glaube nicht an Pyramidenkräfte und ähnliches, aber wenn man eine kosmische Verbindung zwischen sich und dem Universum spüren will, dann in der Wüste von Dahschur bei oder nach Sonnenuntergang. Das jagt jedem Schauer über den Rücken.

Obwohl nur rund 30 Kilometer südlich von Kairo gelegen, werden sie von Touristen genauso ignoriert wie von der Mehrzahl der PS-Autoren. Dieses Jahr war ich insgesamt zweimal für jeweils mehrere Stunden bei ihnen, und einmal kreuzte tatsächlich ein Reisebus mit Japanern an der roten Pyramide auf. 1997 war ich insgesamt dreimal dort, und kein einziger Tourist kreuzte meinen Weg, im Jahre 2001 drang gar ein Minibus mit 2 gelangweilten Botschafterkindern bis zur Knickpyramide vor. Bedenkt man, daß jede Stunde 20, 30 Reisebusse übers Giza-Plateau herfallen, ist dies nichts. Ach ja, die Reisegäste des einzigen Busses wurden von den rührigen japanischen Reiseleitern im Laufschritt die 50 Meter zum Eingang hochgetrieben, blieben knapp 10 Minuten drin (zumindest alle, die es hoch geschafft hatten :-) ) um dann wieder in den Bus getrieben und zum nächsten Ziel ihre Tour "Afrika und Europa in 6 Tagen" gekarrt zu werden :-)
Warum werden sie so ignoriert? Es sind es keine kleinen Schutthaufen, beide überschreiten die 100 m Höhenmarke deutlich, der Eingang der roten Pyramide liegt zum Beispiel höher als die verfallenen Pyramiden in Lischt je waren. Die Basisbreite der roten Pyramide ist nur ein paar Meter kleiner als die berühmte "Große Pyramide", und die südliche Pyramide, die Knickpyramide, ist sogar die am besten erhaltene Pyramide ganz Ägyptens. Auch innen sind sie nicht langweilig: Die Rote bietet die größten Kraggewölbe Ägyptens (gegen die die berühmte große Galerie der Cheopspyramide geradezu niedlich wirkt), die südliche Knickpyramide das komplizierteste (leider nicht begehbare) Gangsystem aller Pyramiden dieser Zeit.

Decke Vorkammer   Grabkammer

Auch sind sie nicht schwer erreichbar, da extra eine von einem unbekannten Sponsor gestiftete Straße zu ihrer Erschließung, ein wahrer Highway, gebaut wurde. Warum also werden sie so vernachlässigt?

Wahrscheinlich sind sie deswegen so uninteressant, weil die Mehrzahl der ins Land gekarrten Pauschaltouristen weder Ahnung von noch Interesse am alten Ägypten hat. Zumindest, wenn man die Gespräche der Touristen mithört, denen wir an einigen Stellen auch nicht entgehen konnten. Da reicht es, ein Bild von Tante Erna vor Pyramide zu bringen, und die nächsten Pyramiden sind nun mal die in Giza. Und vielleicht ist es ja gut, daß die Scharen in wenigen Anlagen "ghettoisiert" werden, man hat dann wenigstens in den übrigen Anlagen seine Ruhe vor Fremdenführern, die einen beleidigt und mit Flüchen verfolgen, wenn man ihre Dienste ablehnt (so geschehen anno 1999!)*1.

Nicht verständlich ist aber die Verschwiegenheit über diese Bauten, wenn es in der Grenzwissenschaft um Pyramiden geht. Obwohl, nein, die Verschwiegenheit ist sogar voll verständlich. Meine Einstellung zu vielen Autoren kennen sie - Abschreib as Abschreib can, und wenn keiner der original-recherchierenden Autoren wie Erich von Däniken (mal ein kleines Lob :-) ) die Dinger erwähnt kann natürlich auch keiner der Abschreibenden Zunft Kenntnis von ihnen bekommen.
Und die Original-Recherchierer erwähnen die Bauten lieber nicht, was man versteht wenn man ihre Besonderheiten betrachtet. Gebaut wurden beide von Cheops Vater, dem Pharao Snofru. Sie stellen das Bindeglied zwischen den in der 3. Dynastie gebauten Stufenpyramiden und den glatten Pyramiden in Giza dar. Bestanden die älteren Pyramiden noch aus kleinen Steinen, die nur die steingewordene Simulation von Schlammziegeln darstellten, hatte man in Dahschur die ganze Technik von Steinbearbeitung- und Transport voll im Griff. Tonnenschwere Quader und gewaltige Verkleidungsblöcke wurden Millimetergenau ineinandergefügt; Unten einige Größenvergleiche...

Person vor Kante Knickpyramide
Person vor der Kante der Knickpyramide
Frank vor Verkleidung rote Pyramide
Frank vor Verkleidungsblock rote Pyramide

Auch wurde mit neuen Innenraumkonzepten gearbeitet, von denen die Cheopspyramide nur der Endpunkt ist. So findet sich in der nördlichen, der roten Pyramide eine über 14 Meter hohe "Kathedrale", ein gewaltiges Kraggewölbe. Zusammen mit seinen mehr als 12 m hohen Vorkammer-"Brüdern" stellen sie die höchsten freien Räume aller Pyramiden Ägyptens dar, eine statische Meisterleistung.
Die berühmte große Galerie der Cheopspyramide findet in diesen drei Räumen sowie der 4:1-Baustudie in der Nebenpyramide der südlichen Knickpyramide ihren Vorläufer. Bis auf das Giebeldach der Königinnenkammer wurden alle Details, für die die große Pyramide so berühmt ist, bereits hier verwendet.
In der Tat finden sich auch alle angeblichen Cheops-Geheimnisse bereits hier: Die Pyramiden sind innen kahl und unbeschriftet, Millionen tonnenschwerer Blöcke wurden bewegt, poliert und nahtlos aneinendergefügt und gewaltige überkuppelte Räume gebaut. Gut, beide Pyramiden sind jeweils etwas kleiner als die Cheopspyramide, beide zusammen hingegen mehr als anderthalb mal größer. Und nun spätestens würden diverse Annahmen wie "Die Cheopspyramide kann in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht gebaut worden sein" ins Schwimmen kommen - den beide Pyramiden zusammen wurden in kürzerer Zeit gebaut als die von Cheops! Und im Gegensatz zu Cheops gibt es hier auf Fundament- und Verkleidungsblöcken Inschriften genug, die nicht nur den Pharao, für den diese Bauwerke hochgezogen wurden genau benennen, sondern auch noch Daten wie Grundsteinlegung und Pyramidionsetzung nennen. Diese Steine liegen heute wohlsortiert in zwei Arealen auf der Ostseite der Pyramide, für jeden zu besichtigen. Aus diesen Daten können wir errechnen, daß rund 20 Jahre reichten, um beide Monumentalbauten hochzuziehen.

Das ist natürlich ein Paradoxon: Wenn die Ägypter die Cheopspyramide nicht erbauen konnten, konnten sie die Snofru-Pyramiden erst recht nicht bauen. Diese bauten sie aber, obwohl sie sie nicht erbauen konnten...
Und dies dürfte der Grund dafür sein, daß diese beiden Pyramiden in der Paleo-Seti-Literatur auch weiterhin die vergessenen Pyramiden bleiben dürften...

*1 Das Problem mit den Fremdenführern ist, daß ich normalerweise mehr weiß als die. 1997 mieteten Stefan (ein Arbeitskollege) und ich einige Kamele, da ich eine großräumige Umrundung des Giza-Plateaus vorhatte um Fernschüsse zu bekommen. Der Kamelführer war Fan Bauvals und gab doch einige extravagante Interpretationen bestimmter Bauwerke :-) Wir gerieten nachher in eine richtigen Streit, da ich seinen auf Folklore basierenden Erkenntnissen stellenweise arg widersprechen mußte.

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