Eine Bekannten, die ich ein Jahr vorher in Hurghada kennengelernt hatte, wollte eine Sinai-Safari machen. Ich schlug vor, daß man das doch eine kombinierte Sinai/Tauchreise machen könnte, und opferte mich dann auch freiwillig für die Begleiterrolle. Gesagt geplant, und in den Folgewochen stoppelten wir unsere Traumreise zusammen.
Wir wollten ein neu eingerichtete Schnell-Fährverbindung zwischen Sharm el Sheikh auf dem Sinai und Hurghada auf der anderen Seite des Roten Meeres nutzen, um beide Tauchgebiete in einem Urlaub betauchen zu können. Über diese Fähre hatte ich im Internet gelesen, anstelle der 6-8 Stunden Überfahrt der alten Fähre benötigt sie gerade mal eine bis anderthalb Stunden (je nach Seegang).
Um keine Zeit zu verlieren und jeweils direkt am Tag nach der Ankunft tauchen zu können, buchten wir die Tauchbasen von Deutschland aus: die Sinai Divers in Sharm, und das uns schon von 1999 bekannte Jasmin Diving Center in Hurghada.
Die Hotels buchten wir rein praktisch: da die Sinai-Safari vom Hotel Seti-Sharm ausging, buchten wir dort auch den Rest unserer Urlaubstage, und um lästige Transferzeiten zu umgehen, nahmen wir in Hurgahda das Jasmin-Village-Resort, auf dessen Gelände das Jasmin Diving Center liegt.
Die Sinai-Safari war so gelegen, daß wir vorher zwei und nachher einen Tauchtag zur Verfügung hatten, und an einem von denen wollten wir versuchen, zum berühmten Wrack der Thistlegorm zu kommen. Nach Auskunft der Siani-Divers kam dafür leider nur der letzte Tag in Frage. Die vorläufige Gesamtplanung sah letztlich so aus:
Der Fährfahrplan war im Internet abrufbar, und die Tauchbuchungen fanden per Mail statt (Katja wollte ihren AOWD und ich "Navigation und Gruppenführung" für ein geplantes VDST **-Brevet machen). Die Sinaidivers hatten freundlicherweise bereits eine Thistlegorm-Liste für den 3.7. bereitgemacht und uns eingetragen (da mindestens 8 Interessierte am Stichtag benötigt werden), und da wir vorher in Hurghada tauchten, versprach man uns, daß der sonst bei ihnen übliche obligatorische Checktauchgang für uns flachfiel. Also: Alles perfekt.
Das war leider das Motto dieses Urlaubs. Der Hinflug lief perfekt ab. Gegen 3 Uhr Morgens stand Katja vor der Tür, das Taxi erschien pünktlich gegen 4 Uhr, 20 Minuten später waren wir am Flughafen, der Flug ging pünktlich und gegen 12 Uhr Ortszeit stiegen wir aus dem Flieger in die etwas kühle Wüstenluft Ägyptens.
Ja, genau, kühle Luft. Als wir abflogen, war es in Deutschland unerträglich heiß, bis zu 36? C. In Sharm hatte es weniger als 30° C, eine echte Erfrischung also :-) Die Ägypter sahen uns daher ein wenig schief an als wir ihnen erzählten, es sei "quite refreshing" :-)
Auch den kleinen Bankschalter direkt rechts vom Eingang der Flughafenhalle, wo man das Visum für ganz Ägypten bekommt, fanden wir dank der Beschreibungen im Internet sofort (ACHTUNG! Am Paßschalter bekommt man (Stand Juni 2000) nur ein Aufenthaltsgenehmigung für Sharm el Sheikh! Damit kommt man noch nicht mal in den Sinai, geschweige denn nach "Restägypten"!).
Unser Gepäck war da, und auch ein Taxi zum Hafen, wo um 18 Uhr die Fähre gehen sollte fanden wir sofort.
Aber das war?s denn auch schon mit der Planmäßigkeit. Als wir am Hafen ankamen und einen Wachmann fragten, um welche Uhrzeit die Fähre ging, bekamen wir als Antwort "Übermorgen"!?! Ganz klar, der Typ hatte uns nicht verstanden
Also nochmal neu gefragt "Schnellfähre (Fast Ferry), die heute. Dienstag. Um wieviel Uhr?" (auf Englisch natürlich). Seine Antwort: "Ich verstehe sie, und ich sagte doch: Übermorgen.".
Moment, aber der Fährfahrplan den ich mir im Internet gezogen hatte sagte eindeutig "Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag", jeweils 18 Uhr.
Jahaaaah, so der Wachmann, das sei der Fahrplan von vor zwei Monaten. Im Mai habe man nämlich die Dienstagsfähre gestrichen! Daß das noch nicht im Internet stehe sei bedauerlich, aber nicht seine Schuld.
Und welche Möglichkeit hätten wir jetzt, nach Hurghada zu kommen? Keine! So der freundliche Wachmann. "Genießen Sie Sharm el Sheikh, gehen Sie baden und kommen Sie übermorgen wieder".
Katja fragte nach Privatbooten, oder der langsamen Fähre, die täglich gehen sollte ("no more slowboat, only speedferry" - die Fährgesellschaft der normalen Fähre war pleite!) und Flugverbindungen. Der Wachmann lächelte eisern weiter und meinte zu allem nur "no". Und "Enjoy Sharm".
Glücklicherweise hatten wir Elian, den Taxifahrer der uns zum Hafen gebracht hatte, noch nicht entlassen (wir wollten ursprünglich nur die Tickets kaufen, das Gepäck irgendwo unterbringen und bis zur Abfahrt Sharm erkunden), und so fuhren wir mit ihm erst mal zum Gebäude der Egypt Air um nach Flügen zu suchen. Tja, der nächste Flug ging am Freitag. Was nu?
In Deutschland hatte Katja die Frage gestellt, ob man überhaupt die Fähre brauche, ob man nicht per Bus über Suez fahren könnte. Das sah nun nach der einzigen Möglichkeit aus, oder vielleicht auch eine Fahrt direkt mit dem Taxi. Nach einigem Hin- und her hatten wir uns geeinigt. Nach Auskunft des Wachmanns würden von Suez aus viele Busse und auch Sammeltaxen nach Hurghada fahren, also wagten wir es: Taxi nach Suez, und sehen wie es von dort weiterging. Der Taxifahrer wollte 500 Pfund inklusive der Fahrten, die wir mit ihm jetzt schon in Sharm gemacht hatten (die sich alleine schon auf über 100 Pfund summierten), und so nahmen wir an.
Kurz nach 2 Uhr war es so weit, und es ging los. Direkt hinter Sharm kam eine Kontrolle. Ich hatte die Befürchtung, man würde uns nicht ohne Konvoi fahren lassen; eine Sitte die durch die Anschläge religiöser Fundamentalisten entlang des Nils leider nötig geworden ist. Glücklicherweise war diese Befürchtung aber unbegründet, es ging nur um eine Fahrzeuggebühr von 100 Pfund, die der Fahrer zahlen müsse. Nach kurzer Diskussion übernahmen wir diese Gebühr, worauf der Taxifahrer den Fahrpreis auf 400 Pfund senkte - also letztlich alles beim alten blieb. Verstanden habe ich den Vorgang nicht.
Da Katja und ich beide übernächtigt waren, bekamen wir vom ersten Teil der Fahrt nicht viel mit. Kurz hinter El Tour, der Provinzhauptstadt des Sinai, fragte uns der Fahrer, ob er mal bei seiner Familie vorbeifahren dürfe. Na klar, meinten wir, und ab ging es ins Gelände. Die Straßen wurden schmaler und wichen einer Schotterpiste, bis wir in eine Siedlung kleiner Häuschen kamen, alle von einem ummauerten Garten umgeben (der Eindruck, eine altägyptische Siedlung vor sich zu sehen, war ziemlich groß). Während wir durch die Siedlung fuhren, murmelte Katja zum Scherz "Und jetzt kommt die Entführung" :-)
Und so landeten wir dann bei der Familie unseres Taxifahrers. Er war Beduine, wie sich herausstellte, und lebte bei El Tour, wo er auch schlief. Und jeden Morgen fuhr er zwei Stunden zu seiner Arbeit nach Sharm, und jeden Abend zwei Stunden zurück. Weil die Wohnungen in Sharm derart teuer sind, daß dort kein Ägypter leben kann.
Er stellte uns seine Familie vor - Schwager, Frau, Bruder, drei Töchter (Miriam, Nora. Amira), wir tranken Kaffee und versuchten, uns radebrechend zu unterhalten. Seine älteste Tochter, Miriam, war dabei, sich zu verheiraten, und man lud uns herzlich ein, zur Verlobungs- oder Hochzeitsfeier zu bleiben. Aber leider wartete ja das Hotel in Hurghada auf uns. Die nächste Tour sollte man vielleicht ohne Hotelzwang machen...
Zur Erinnerung schenkt sie Katja einen handgefertigten Schlüsselanhänger mit den Worten "In Liebe, Miriam" auf Arabisch :-)
Inzwischen waren wir Attraktion aller Kinder der Umgebung geworden, die herbeigerannt kamen und vorsichtig einen Blick in das Haus unseres Fahrers warfen. Nach einer Stunde gings dann aber weiter nach Suez - in Begleitung. Die beiden jüngsten Töchter des Fahrers, Nora und Amira, begleiteten uns. Die kleinste, Amira, war müde und fiel ständig fast vom Sitz, bis Katja und ich sie hinten in die Mitte nahmen. So gings dann ohne Verzögerungen weiter, durch den Tunnel unter dem Suez-Kanal in die Innenstadt. Von zu Hause aus hatten wir eine Trommel Weingummi-Tiere mitgenommen, die wir eigentlich bei Jasmin auf die Theke stellen wollten. Wir beschlossen aber spontan, sie den Kindern zu geben. Die kleinste beäugte die Tiere mißtrauisch und konnte eindeutig recht wenig damit anfangen. Bis wir demonstrierten, daß es was eßbares war. Danach gab es aber kein Halten mehr :-)
In Suez angekommen ging es Richtung Busbahnhof. Dort kamen wir um viertel vor Acht an und hatten geradezu unwahrscheinliches Glück: In nur einer Viertelstunde ging der nächste Bus nach Hurghada. Aber wir konnten nur in Pfund zahlen, und da wir in Sharm nicht mit einer solchen Odyssee gerechnet hatten, hatten wir nur ein paar Mark 50 eingetauscht. So mußten wir fast alle Pfunde zusammenkratzen, um die Bustickets zu besorgen. Und so saß ich ein knappes halbes Jahr nach dem letzten Urlaub wieder mal in einem Bus von "Upper Egypt Travel" in Richtung Hurghada...
Reisen in einem Linienbus ist in Ägypten sehr angenehm. Die Leute sind freundlich (normalerweise ist man der einzige Tourist im Bus, und die mitreisenden Ägypter sind sehr bemüht zu helfen), die Busse sind bequem und modern, und als einziger Tourist unter 50 Einheimischen kann man sich auch vor Anschlägen sicherer fühlen als in einem von 100 nur mit Touristen besetzte Reisebus in einem Konvoi...
Vor allem sind die Fahrpreise geradezu lächerlich. Für die 400 km von Suez bis Hurghada muß man pro Person nur 26 Pfund oder knapp 15 DM (!!!) zahlen! Das Videoprogramm ist auch ganz interessant. Normalerweise befinden sich 2 Fernseher im Bus, über die 1999 auf der Hinfahrt zwei Komödien liefen. Daher kenne ich, zumindest vom Aussehen her, Ägyptens größten Comedy-Star - auch ohne die Sprache zu verstehen, mußte ich über seine Louis des Funes-artige Mimik herzlich lachen. Auf der Rückfahrt sahen wir dann ein Rockerdrama zwischen Beduinen und "Normal"-Ägyptern - mit demselben Darsteller in einer glaubhaft dramatischen Rolle!
Bei dieser Nachtfahrt gab es kein Spielfilmprogramm, sondern nur das Abendgebet, und anschließend etwas, was den gregorianischen Gesängen nicht unähnlich war. Eine sehr angenehme, spirituelle Begleitung. Die vielleicht auch nötig ist wenn man bedenkt, daß der Busfahrer völlig ohne Scheinwerfer mit einem Mordstempo über die nur vom Vollmond (glücklicherweise) beleuchtete Straße heizte...
Um halb Zwei Nachts waren wir endlich im Jasmin angekommen. Immerhin nur knapp fünf Stunden später als wenn die Fähre gefahren wäre. Für 1000 Kilometer Umweg eigentlich nicht schlecht! Letztendlich hätte uns beide zusammen die Fähre 276 Pfund gekostet, die Fahrt zum Hafen noch mal 40, macht zusammen also 326 Pfund. Für Bus und Taxi haben wir 552 Pfund gezahlt, das sind 113 Pfund oder knapp 60 DM pro Person mehr als die Überfahrt - dafür hätten wir in Sharm wohl kaum ein Zimmer für zwei Nächte bekommen!
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