Tag 3: LischtPuzzlespiel der Pharaonen |
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"In Lischt ist nischt" formulierte einst ein Pyramidenautor aus Berlin. Wir waren daher nicht sicher, ob sich der Ausflug dahin überhaupt lohnt. Rainer hatte wie üblich einen Plan von dem gemacht was er besichtigen wollte, und so setzten wir uns zweifelnd ins Taxi. Da Freitag war, wollte Bakr sicher gehen, am Mittag in der Moschee zu sein. Nach unseren Informationen sollte das problemlos hinhauen. Naja, erneut eine Fehleinschätzung, denn die beiden arg verfallenen Pyramiden von Amenemhet I und Sesostris I aus der 12. Dynastie sind geradezu Lehrbuchbeispiele für einige fortgeschrittene Konstruktionsmethoden der Ägypter.
Unser erstes Ziel war die sehr verfallene Pyramide von Amenemhet I. Zugegeben, dort gibt es wirklich nicht viel zu sehen, nur ein abgeflachter Hügel den man besteigen kann, der Rest der Anlage liegt noch unter Schutt begraben. In ihr kann man allerdings die Stützmauern sehr gut erkennen.
Die Pyramide ist deswegen schlechter erhalten als sie von Sesostris II, die wir gestern besuchten, weil Amenemhet I die Innenkammern nur mit Sand auffüllte! Und dafür sieht man dank des Stützskeletts noch recht viel.
Interessanterweise reicht der moderne Friedhof bis direkt vor die Pyramide, und viele Gräber sind abgedeckt - von einer Pyramide! Alt trifft jung, 4000 Jahre auseinander!
Wie Eingangs vermerkt, interessierten mich dieses mal technische Details, und dazu gehören auch Erosionsspuren. Wie vielen Lesern bekannt sein dürfte, datieren einigen Autoren den Sphinx mit Begründung sichtbarer Erosionsspuren um, und legen sein Alter auf 7000, ja sogar 12000 Jahre v. Chr. (mehr können Sie auf Rainers Homepage lesen).Typisch für Wassererosion sei dabei die kehlige Erosionsform, wie links am Sphinx zu sehen (Brust, Blick von Süden) sowie vertikale Risse, von Schoch als "Ablaufrinnen" bezeichnet. Speziell sanfte, runde Strukturen seien ein Indiz.
Ein Vorwurf den sich Robert Schoch, der Erfinder der Thesen, gefallen lassen mußte war, daß er zu seinem Schluß nach einem nur wenige Tage dauernden Besuch des Sphinx kam, und dabei vergleichende Untersuchungen an anderen Anlagen Ägyptens nicht vornahm.
Ich wollte daher nach vergleichbaren, Wassererosionsartigen Spuren außerhalb Gizas suchen - und war fast überall erfolgreich. Machten wir Anfangs noch den Witz "Da, Vorsintflutlich" wenn wir mal wieder über ein eindeutig wasserähnliches Muster stießen, war dies schon nach zwei Tagen langweilig. Die Ähnlichkeit zu den Kernbohrungen ist faszinierend :-) So kann man die nebenstehende Erosionsspur im alten Chephren-Steinbruch finden. Dieser Stein liegt definitiv erst seit der 4. Dynastie frei - und hat sogar die Erosionsspuren der "Wasserrinnen" die von alternativen Sphinxexperten als Beweis herangezerrt wird....
Eines der Hauptargumente Schoch's gegen eine "normale" Erosion war unter anderem, daß eine Winderosion oder Explikation (Absprengung kleiner Plättchen durch ständig neu kristallisierende Salze) niemals nennenswerte Mengen eines Steins beseitigen kann. Nun, dieser im Colani-Stil wegerodierte Brocken einer Mastaba auf der Ostseite der Pyramide von Amenemhet I hat weit mehr als 50% seines Volumens verloren - und das bei einer Anlage die fast 1000 Jahre jünger als die großen Pyramiden von Giza oder 5000 Jahre jünger als das propagierte Sphinx-Datum ist.
Weiterhin sah Schoch in den abgerundeten Formen ein spezifisches Wassererosions-Merkmal. Aber auch da konnten wir in anderen Anlagen vergleichbares finden. Die Beispiele stammt von der Anlage von Sesostris II aus der 12. und direkt von der Chefrenpyramide aus der 4. Dynastie (letzterer dürfte erst seit dem Klau der Verkleidungsblöcke vor 1500 Jahren freiliegen!!!). Beide haben sogar die typische Kehlung in der Erosion. Schon auch an der Wand hinter der Sesostris-Mastaba zu sehen! Ähnlich abgerundete Spuren, mit "Fissuren" wie von Schoch als typisch erachtet findet man entlang des Niltals wirklich an jeder Ecke. Einziger Ausweg aus dem Dilemma: Alle Pyramidenanlagen Ägyptens müssen um 4-5000 Jahre zurückdatiert werden - und das ist ebenso albern wie die Anwesenheit außerirdischer Bohrkommandos für 3000 Jahre :-))
Wenn man seine Augen aufmacht, kann man überall etwas entdecken. Dennoch war bei Amenemhet I nicht mehr zu finden, und so machten wir uns auf den Weg zu der rund 2 km entfernt liegenden Pyramide von Sesostris I. Der Weg ging über Stock und Stein, und nur der Wächter der beiden Anlagen konnte Bakr den Weg weisen. Schließlich kamen wir aber zu einem Punkt, wo das Auto definitiv nicht mehr vorankam. Wir mußten zu Fuß weiter. Bakr drängte ein wenig - wir hatten bei der ersten Pyramide zuviel Zeit verbracht (obwohl es da ja nichts zu sehen gibt :-) ), es war Freitag, und er wollte zur nächsten Predigt rechtzeitig bei der Moschee in Lischt sein.
Amenemhet I war allerdings für mich technikinteressierten ein wahres El Dorado. In der Paleo-SETI wird ja oft der Eindruck verbreitet, daß die großen Pyramidenbauer der 4. Dynastie über unerklärliche Kenntnisse verfügten, während die Nachfolger nur Stümper gewesen seien. Dem entgegen steht der nicht zu verleugnende Baufortschritt, der in den Anlagen zu verzeichnen ist. Zu den Pyramiden hatte ich mich ja schon zu Sesostris II geäußert, bei seinem Vorgänger bot auch der Tempel Einblicke in moderne Techniken.
Die Pyramiden und Tempel in Giza sind gewaltig, aber von ihrer Konstruktion her recht primitiv. Im Normalfall wurden einfach schwere Steine mit Mörtel aufeinander gestapelt, fertig. Ebenso kann man aus der Abwesenheit beschrifteter Granitblöcke erkennen, daß man zu der Zeit das Material zwar schon polieren, nicht aber mit vertieften Reliefs bearbeiten konnte. Im Laufe der folgenden Dynastien tauchen erstmals Inschriften auf, die nachher alltäglich selbst auf härtestem Material auftauchen. Im Laufe der Zeit wurde die Bearbeitung von Rosengranit so selbstverständlich geworden, daß im Lischt der 12. Dynastie praktisch keine Mauer mehr "gestapelt" wurde. Selbst Dutzende von Tonnen schwere Elemente wurden sauber mit Zapf und Nut vorbereitet, und Mauern durch Schwalbenschwanzklemmen zusammengehalten. ja, genau die Teile die angeblich nur in Tiahuanaco vorkommen. In Ägypten wurden diese seit Chephren verwendet, Anfangs selten und in Kalkstein, später als industrielles Standardverfahren in allen Materialien. Die Klemmen wurden verwendet, um Pyramidenverkleidungen vorzuspannen, Mauern halt zu geben - und Verblendmauerwerk zu produzieren, indem Rosengranitplatten an billige Kalksteinwände angezapft wurden, um diese mit edlem Material zu "furnieren" :-)
Die Klammern wurden normalerweise aus Holz, seltener aus Kupfer gefertigt. Im Tempel der Hatschepsut und anderen Bauten gibt es sogar Hinweise, daß diese vor Ort aus Flüssigmetall in die Klammerlöcher gegossen wurden - ebenfalls eine Technik, die Teile der PS-Literatur als einmalige Erfindung der Bauer von Tiahuanaco feiern.
Die Klammern hatten die Bezeichnung "Klammer des Universums" und waren ein Sinnbild für den Pharao, der in Gestalt der Klammer (auf denen normalerweise sein Name stand) seine Pyramide und seinen Tempel zusammenhielt :-)
Die Vertiefungen für die Klemmen waren sorgfältigst ausgearbeitet, so war z.B. der gesamte Aufweg der Pyramide von Sesostris I mit 2 Lagen geklammerten Rosengranit versehen. Bei rund 1 km Aufweg, 3 m hoch, 1 m x 30 cm pro Stein, 3 Löchern pro Stein, 2 Schichten pro Seite und 2 Seiten macht das knapp 120000 (!) Schwalbenschwanzverbinder nur für den Aufweg dieser Pyramide!!!
Da die Schwalbenschwanz-Technik so normal war daß sie ab dem mittleren Reich überall verwendet wurde und den Mörtel ersetzten, bleiben ebenfalls wieder nur zwei Möglichkeiten: Die Ägypter konnten das alles selbst machen, oder ein weiteres Hartstein-Fräskommando außerirdischer Raumfahrer stand 3000 Jahre lang Gewehr bei Fuß den Ägyptern zur Verfügung :-))
Es war Freitag, und da steht für alle gläubigen Muslims natürlich das Freitagsgebet an. Bakr besuchte dafür die Moschee in Lischt und setzte uns bei der Familie des Pyramidenwächters ab. Die Predigt bekamen wir mit - ein Lautsprecher ließ sie über den ganzen Ort erschallen. Vom Tonfall her klang sie überhaupt nicht friedlich, sondern eher wie eine Rede, die in unserer braunen Vergangenheit hätte gehalten werden können. Wie uns eine einheimische Bekannte Rainers, Magda (Eintrag 23 in meinem Gästebuch :-) ) mitteilte, sei der Inhalt auch nicht viel anders. Um so verblüffender Bakrs Information zwei Wochen später: Er könne die Predigt nicht verstehen, da sie in Arabisch und nicht Ägyptisch sei. ich glaube, da muß ich noch mal einige Kundige fragen...
Da alle erwachsenen Männer in der Moschee weilten, gehörten die Straßen den Kindern. In Nullkommanichts waren wir die Attraktion des Dorfs und von ihnen umringt. Nachdem diese herausgefunden hatten, daß wir über Fotoapparate verfügten, wollte jeder mit jedem abgelichtet werden :-) Ein paar Bilder dazu unten.
Frank kramte sein in Deutschland erstandenes Wörterbuch "Deutsch-Ägyptisch" heraus und machte einige direkte Kommunikationsversuche. Mit stellenweise durchschlagendem Erfolg, wenn die Kinder vor Lachen auf dem Boden lagen. Offensichtlich waren die phonetischen Hinweise in dem Buch völlig daneben (wie uns Magda später bestätigte). Immerhin hatte das Buch einen gewissen Unterhaltungswert :-))
Ich hatte eine Digitalvideo-Kamera mit, die man auch als Fotoapparat verwenden kann. Auf der Speicherkarte hatte ich noch ein paar Bilder aus Deutschland, die bestaunt wurden.
Rainer ließ sich vom Hausherrn seine Visitenkartensammlung zeigen, wonach eine Menge hohe Herren bereits seine Gäste gewesen waren.
Leider viel zu spät erfuhren wir, daß die Frau des Hauses vorhatte, uns zum Essen (traditionell abends) einzuladen. Da Rainer nur 7 Tage hatte, und nach meinen Erfahrungen von 1997 diese Mähler Stunden über Stunden dauern (rülps... :-) ) sagten wir bedauernd ab. Aber wenn wir das nächste mal mit mehr Zeit zurückkommen, stehen wir auf der Matte :-) Auf jeden Fall, und mit vielen Fotos die wir von der Familie gemacht haben :-)
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