Die technische Interpretation der Dendera-Objekte auf der vorherigen Seite ließ ja einige Fragen ungeklärt. Schauen wir uns daher nun an, was die Ägyptologie zu den Abbildungen sagt. Würde es Sie sehr überraschen, wenn ich ihnen sagen würde, da es etwas "kultisches" darstellen soll?
Mit diesem Begriff sticht man allerdings in ein Wespennest, denn "Kultisch" ist in der alternativen Wissenschaft das Unwort überhaupt. Denn, so die Meinung vieler Vertreter, überall dort wo Wissenschaftler die wahre Bedeutung einer Szene oder eines Objektes nicht mehr erfassen, nennen sie es 'kultisch'. Aber der Mensch in der Frühzeit war, so argumentieren sie weiter, viel zu intelligent, um sich in sinnentleeren Kulten zu ergehen (was übrigens ein spaßiges Dilemma eröffnet - unsere Vorfahren solle zwar zu schlau für Kulte gewesen sein, auf der anderen Hand werden sie aber von denselben Vertretern der Alternative als zu dumm erachtet, um auch nur zwei Steine ohne Götterhilfe aufeinanderzuschichten).
Wenn aber entsprechende Darstellungen nicht "kultisch" sind, so die Argumentation der Kult-Gegner, darf man sie technisch nach der Methode "sieht aus wie" interpretieren. Kern der Argumentation gegen "kultisches" ist dabei die regelmäßig gestellte rhetorische Frage: "Aber waren die Menschen der damaligen Zeit nicht mindestens genauso intelligent wie wir heute? Warum sollten sie also mehr Kulte haben als wir heute? Denn wir intelligenten Menschen von heute haben ja auch keine Kulte."
Hm, das mit der "kultlosen modernen Zeit" kann aber irgendwie nicht ernst gemeint sein. Zum einen gibt es hier und weltweit so ein paar Kirchen, die man als Kultstätten werten könnte. In denen tatsächlich kultische Handlungen wie Gottesdienste, Taufen und Abendmahle zelebriert werden. Und in denen verblüffenderweise auch kultische Symbole zu finden sind. Kreuze, Heiligenbilder und ähnliches.
Dann gibt's noch Tempel, Moscheen und Synagogen verschiedenster Religionsgemeinschaften, und viele 100 Millionen Menschen auf der Welt, die regelmäßig die entsprechenden Kulthandlungen in ihnen und auch außerhalb verrichten.
"Jaja, aber das ist auch alles", meinte ein Kultlos-Fan in einer Diskussion.
Alles, wenn man von den ganzen Sekten absieht, die besonders in unserer aufgeklärten westlichen Welt regen Zulauf haben, oder von pseudo-Kulten wie Kristallgaube, Erdstrahlen und UFO-Jünger, Horoskopgläubige, Feng Schui-Anhänger und das übrige esoterische Spektrum. Schwarze Messen, Gespensterglaube...
Ja, wir sind schon echt aufgeklärt und unkultisch
Und von der Reaktion einiger "Kultlos"-Anhänger zu schließen, wird ein gewisser Erlebnispark in den Schweizer Alpen ebenfalls als Kultstätte betrachtet
Wenn also heute noch viele 100 Millionen Menschen Kulten huldigen, dürfte man davon ausgehen, daß es in früheren Zeiten mindestens im selben Maße der Fall gewesen ist. Ich frage mich, was hartnäckige Kult-Gegner in ein paar 100 Jahren aus unseren modernen Kultstätten machen würden? Minarette und Kirchtürme als Raketen etwa? Ups, 'tschuldigung, ich vergaß, daß genau das Bestandteil einiger PS-Thesen ist...
Krassa und Habeck lassen ihre Leser trotz des erleuchtenden Themas ziemlich im Dunklen darüber, was diese geheimnisvollen Krypten eigentlich sind, und zu welchem Zweck sie gedient haben.
Auch weiß der Leser bis zum Ende des Buchs eigentlich nicht, wozu der Tempel, oder überhaupt ein ägyptischer Tempel dient. Obwohl das doch eventuell schon viel Klarheit bringen könnte.
Tempel in Ägypten sind normalerweise bestimmten Gottheiten und den ihnen zugeordneten Festen gewidmet. Dabei kann es vorkommen, daß große Komplexe wie Karnak vielen Göttern und Festen gewidmet waren.
Der Dendera-Tempel war der Hathor geweiht, die in Dendera besonderes Ansehen genoss - und deren Feste ebenfalls. Denn Hathor galt als Sinnbild der von Spiel, Tanz und ausgelassenen Feierlichkeiten, wie dem "Fest der Trunkenheit der Herrin von Dendera".[1]
Der Tempel diente zur Feier verschiedener Festtage, und war daher in eine Anzahl von "Kulträumen" unterteilt. In diesen Kulträumen waren, ähnlich wie in unseren Kirchen, Reliquien untergebracht, die symbolisch für das jeweilige Fest standen. An den Wänden der Kulträume finden sich außerdem Texte, die sich auf die jeweiligen Festlichkeiten beziehen. Die wertvollsten dieser Objekte wurden nach Beendigung der Feiern diebstahlsicher verstaut - in den den Kulträumen zugeordneten versteckten Krypten eben. Diese dienten, wie die Inschriften beweisen, zur Aufbewahrung der aus kostbaren Materialien gefertigten Festschreine.[2]
Während eines entsprechenden Festes wurden die Objekte aus den jeweiligen Krypten herausgeholt und in den Kulträumen aufgestellt. Jede Krypta enthielt Abbildungen und Erläuterungen zu genau den Schreinen, die in ihr aufbewahrt wurden. Und daher haben wir eine feste Verknüpfung zwischen den Dendera-Objekten, ihren Beschreibungen in den Krypten und Kulträumen, und bestimmten, ebenfalls dort erwähnten Feiertagen. Wer weiß, vielleicht gab es da ja so etwas wie ein "Fest des Heiligen Stromschlags" oder so... Werfen wir nun also einen Blick auf die Feiertage, die im Dendera-Tempel begangen wurden.[3]
Die Festräume habe ich hier mit Buchstaben konform zur Arbeit des Ägyptologen Dr. Waitkus bezeichnet, der die jüngste Übersetzung und Besprechung zu Dendera als Dissertation veröffentlichte. Die Krypten sind die kleinen Räume in den drei Wänden, die die Halle mit den Festräumen umgibt. Die Krypta mit den "Glühbirnen" befindet sich direkt links von Raum "I", der Zugang erfolgt über die kleine eingezeichnete Treppe links unten von Raum "M".
Die Räume waren folgenden Festen zugeordnet[4]:
Bis auf die Feste in Raum K, die der Krönung des Pharaos und seinem Thronjubiläum dienten, befassen sich praktisch alle Räume mit Jahreszeit-Festen. Neumonden und Neujahrsfeiern stellen dabei die überwiegende Mehrzahl. Ich kann kein einziges Fest ausmachen, bei dem irgendetwas gefeiert wird, was mit elektrischem Licht zu tun haben könnte (außer daß einigen bei den mehrtägigen "Festen der Trunkenheit" die Lichter ausgegangen sein dürften ).
Speziell die Feste, die in Raum G auch mit Hilfe der "Glühbirnen" gefeiert wurden, sind klar: ein Sedfest (Thronjubiläum), zwei Neumondfeste, drei Neujahrsfeste (zu den Genannten kommt noch das "Kind im Nest", eine Umschreibung für die junge Sonne des Neujahres), ein allgemeines Fest, und der "Sonntag" (Dekadenfest - die Ägypter hatten Zehntagewochen).
Noch spezifischer wird das, wenn man die Beitexte zu den "Glühbirnendarstellungen" selbst anschaut: Die Norddarstellung (mit der "funktionierenden" "Lampe") ist mit dem Sedfest und dem Neumondfest verknüpft, die beiden Darstellungen auf der Südwand lediglich mit den Feiern des Neujahrsfestes und des Jahresanfangs!
Interessant ist auch ein Architekturelement, welches sich an jedem Durchgang zu einer Kryptengruppe findet: Ein umlaufendes Band mit einer Nutzungsbeschreibung. Die beiden südlichen "Lampen"-Krypten sind demnach "Geheime Stätten der szp-Bilder des Haus des Somtus"[10]. "szp"-Bilder sind nichts geheimnisvoles, und sie haben auch nichts mit Elektrizität oder Lampen zu tun. Dies ist die ägyptische Bezeichnung für einen bestimmten Statuentyp, nämlich ein Götter-Standbild.
A propos Texte: Die Krypten sind übersät von Texten. In denen im Prinzip alles drinsteht was man benötigt, um (mit ein wenig Fachwissen) die Bilder verstehen zu können, so auch zu welchem Zweck die Objekte dienten, wie sie hießen, was sie darstellten, woraus sie bestanden, wie sie behandelt werden mußten, und wie die Festprozession ablief. Und obwohl Krassa und Habeck diese Schriften zur Verfügung hatten, verschweigen sie den Lesern diesen Sachverhalt. Und obwohl sie allerlei Beitexte in Übersetzung beifügen, haben sie sich penibelst drum herumgedrückt, die Übersetzungen zum Neujahres- oder Neumondfest zu publizieren. Obwohl sie Sätze vor und nach entsprechenden Beschreibungen abgedruckt haben. Ein Schelm wer böses dabei denkt.
Weder die Feste des Tempels noch die Bezeichnung der Statuen geben, wie wir erkennen können, irgendetwas her, was man Elektro- oder Lampenmäßig ausdeuten könnte. Im nächsten Schritt schauen wir uns daher die "Lampen" selbst etwas genauer an.
Zuerst mache ich einen kleinen Schlenker in die ägyptische Götterwelt und das Religionsverständnis. Obwohl der Dendera-Tempel in spätester Spätzeit von Griechen gebaut wurde, übernahmen sie dennoch die Symbole der Ägypter, die eine für uns (und auch für die Griechen) völlig fremdartige Weltsicht besaßen.
Wie oben zu lesen, sind die Krypten einem gewissen "Somtus" gewidmet. In den Texten von Waitkus, die auch bei Krassa/Habeck abgedruckt sind, taucht aber kein "Somtus" auf, sondern nur ein Harsomtus und ein Resomtus. Also was nun?
Tja, hier wird es kompliziert. Götter waren in Ägypten keine "Personen", wir zum Beispiel Jupiter bei den Römern oder Zeus bei den Griechen. Götter waren "Eigenschaften" und "Rollen", die ergänzt oder geändert werden konnten.
Somtus ist im Alten Reich als Gott der Reichseinigung belegt, allerdings spielt er bis ins späte neue Reich keine größere Rolle. Dann jedoch taucht er als Har(=Horus)Somtus als eine Verkörperung des Himmelsgottes Horus, und als ReSomtus als eine Verkörperung der Sonne, speziell der jungen, aufgehenden Sonne, auf. Diese Form war die in Dendera bevorzugte, er wird dabei oft als Schlange dargestellt![11]. Aber diese Beschreibung hilft beim Verständnis wenig. Daher steigen wir ein wenig tiefer herab.
In den uns bekannten "achsenzeitlichen" Religionen sind Götter Gestalten, die irgendwie lenkend in unsere Welt eingreifen. Die die Erde erschaffen haben, die Tiere, die Pflanzen. Die etwas geschehen lassen - den Wind blasen und das Meer wogen lassen, die Sonne auf einem Karren über den Himmel ziehen.
Die Ägypter besaßen dagegen ein sogenanntes "kosmologisches Ordnungssystem", in denen Götter keine handelnden Personen, sondern die Sache an sich sind. Der Himmel wurde nicht von einem Gott erschaffen, er WAR ein Gott, bzw. eine Göttin. Nut, die Himmelsgöttinn, WAR der Himmel. Ihr Mann Geb erschuf nicht die Erde, er selbst war die Erde. Es gab keine Trennung zwischen Welt und Göttern, da die Welt selbst göttlich war.[12]
Ägyptische Götter waren daher unsichtbare Erscheinungen, die nur durch die ihnen zugeordenten Eigenschaften auffielen, und niemals das, was Paleoseti-Autoren aus ihnen machen wollen: auf der Erde herumlaufende raumfahrende Götter die mit Laserpistolen um sich ballerten oder in Raumschiffen durchs All bretterten.
Die menschlichen Götterdarstellungen sind lediglich eine Art von Personifizierungen der Rollen, die die Götter in der Welt spielten. Sie waren, statt zu agieren.
Die Ägypter meinten nun, in verschiedenen Tieren und Pflanzen Eigenschaften bestimmter Götter wiederzuerkennen. In der Lotosblüte (eigentlich die blaue Wasserlilie), die jedes Jahr kurz nach dem Rückgang der Nilschwemme vom anscheinend toten Boden emporspross, sahen sie ein Symbol der Sonne, die ihrer Meinung nach als allererstes vom Urhügel geboren wurde nachdem der Urozean Nun sich zurückgezogen hatte.
Aber auch der Mistkäfer erinnerte sie an die Sonne, da er einen Dungball rollte, was man als Modell für die Bewegung der Sonne (der sichtbaren Ausprägung des Sonnengotts) ansah. Und auch Schlangen wurden mit ihr identifiziert, da diese sich ebenso wie die Sonne ohne sichtbare Bewegungsorgane fortbewegten.[13]
Dies ist der Grund für das vermeintliche Chaos in der ägyptischen Götterwelt, in der jeder Gott offenbar durch Tausende von Tieren, Pflanzen oder Symbolen repräsentiert wurde. Und in der dieselben Tiere, Pflanzen und Symbole unterschiedliche Götter symbolisierten.
Das müssen wir uns vor Augen halten, wenn wir später die Symbolik der "Birnen"-Darstellungen entschlüsseln wollen.
Ein weiteres wichtiges Prinzip der ägyptischen Religion ist der "Synkretismus". Die Ägypter liebten den Ausgleich und waren Gegner von Eroberungen und Verdrängungen. Wenn sich neue religiöse Strömungen durchsetzten, ersetzten diese nicht vorhergehende Ideen, sondern absorbierten sie und versuchten, sie in ein neues Bild einzugliedern. So "saugten" viele Götter im Laufe der Zeit die Rollen anderer Götter auf, um so zu "Supergöttern" zu werden (übrigens ein weiteres starkes Indiz gegen die einfach gestrickten Vorstellungen von Astronautengöttern). Kehren wir nun zu den Reliefs zurück.
Ich hatte ja schon im Lampenteil erwähnt, daß die Autoren den Gott Somtus einfach zu einer diffusen Leuchterscheinung reduzierten, und aus Ihi gar einen Lampenkolben machten. Daß das nicht so stimmen kann, hätten sie durch einen Blick ins RÄRG feststellen können.[14] Aber halt, einige wortwörtlich übernommene Formulierungen zeigen, daß sie dort tatsächlich nachgeschlagen haben. Warum sie dem Leser dann doch solch einen Mist auftischen, ist rätselhaft...
Aber es geht ja noch weiter. Aus einem "schönen Gott" machen sie plötzlich eine "Strahlung" -klar, irgendwie muss man ja eine Lampe hinbekommen.
Krassa/Habeck sind allerdings die einzigen, die "Schönheit" mit "Strahlung" gleichsetzen - eine Folge ihrer Philosophiererei über Ihi als Glühbirne. Im entsprechenden Text wird Harsomtus als "nfr n" bezeichnet[15], und in Zusammenhang mit Personen hat das Wort, gesprochen Nefer (nfr), immer die Bedeutung "schön, perfekt, gut, gütig"[16].
Ägyptisch als Vorläufer der semitischen Alphabete zeichnete wie diese späteren Schriftsysteme auch keine echten Vokale auf (die "Vokale" wie 3, c und i, die in manchen "ägyptischen Alphabeten" von Einsteigerbüchern auftauchen, sind sogenannte Halbkonsonanten, Rachenlaute, die man als "konsonantische Phoneme" einstuft[17]).
Da die zwischen den Konsonanten liegenden Vokale nicht aufgeschrieben wurden, existiert eine Vielzahl von Worten unterschiedlicher Aussprache und Bedeutung, die dennoch mit derselben Konsonantenfolge geschrieben werden. Ein deutsches Beispiel wäre "Haus" und "Hase", beide würden in ägyptischer Schreibweise als "HS" geschrieben werden.
Zur Unterscheidung verwenden die Ägypter daher Determinative (nicht ausgesprochene Deutzeichen), die am Ende eines Wortes stehen. Hinter das "HS" für Haus könnte man ur Unterscheidung z.B. ein "Haus"-Symbol malen, hinter das "HS" für Hase ein Tier. Ein einheimischer Sprecher wüsste dann sofort, welche Buchstabenfolge wie ausgesprochen würde.
Im Ägyptischen gibt auch noch einige Substantive, die "nfr" geschrieben werden, z.B. "Getreide", "Gefäß", "Feuer", aber diese sind durch die Determinative klar erkennbar. So hat das "nfr" mit der Bedeutung "Getreide" ein Fass mit herausrieselndem Korn als Determinativ, das "Gefäß" einen Krug, und das "Feuer" das Symbol "Feuerpfanne mit Flamme". Diese Wörter sind durch diese Determinative klar voneinander zu unterscheiden, trotz gleicher Aussprache, sodaß eine Verwechslung unmöglich ist.
In diesem Falle ist also durch die Schreibweise klipp und klar, daß hier nicht "Feuer" gemeint sein kann (welches der von Krassa/Habeck behaupteten Bedeutung noch am nächsten kommen würde), sondern die ursprüngliche: "schön, perfekt, gut, gütig".
Daß Somtus hier ganz definitiv die Rolle als Sonnengott und nicht als "Leuchterscheinung" hat, erkennt man auch anhand der Texte, die bei Krassa/Habeck unter den Tisch gefallen sind... :
"Resomtus begibt sich an den Himmel als Scheibe von Gold aus dem Horizont heraus, (als) der Herr der nhh-Ewigkeit am Tage, mit zahleichen Gestalten (hprw) täglich in den Stunden von morgens bis abends.
Die Verehrer preisen ihn am Anfang der Morgenfrühe...
Er tritt ein in das Haus-der-Bahre in seinem (großem)? Schrein am Morgen des Neumondtages des 4. Monat der prt-Jahreszeit. ..."[18]
Der Text ist ein sogenannter Bandeau-Text, der in einem schmalen Band unter der Decke der gesamten Szene als Überschrift dient, und der diese Darstellung dem Neumondfest zuordnet.
Somtus steigt hier also als goldene Scheibe aus dem Horizont hinaus in den Himmel - etwas ungewöhnlich für eine in einen Lampenkolben eingeschlossene zischende Leuchterscheinung
Klar, daß Krassa/Habeck diese Passagen nicht gebrauchen können, zerstören sie doch ihr lustiges Rätsel. Also lässt man sie, genau wie den armen Ihi, einfach unter den Tisch fallen...
Über den beiden Birnendarstelungen auf der Südwand steht ebenfalls ein Text, nämlich:
"Resomtus ist mit lebendigem Glanz am Himmel (und) mit Leben am Tage des Neujahrsfestes. Er leuchtet in seinem Haus in der Nacht des Kindes in seinem Nest, indem er das Licht dem Land von den Geburtsziegeln aus spendet.
Der Himmel jubelt, die Erde freut sich und die Götterkapellen sind froh, wenn er in seinem Gemach erscheint in seiner Prozessionsbarke an seinem schönen Fest des Jahresanfangs."[19]
Hier haben wir unsere Verbindung zum Neujahresfest. Die "Prozessionsbarke" ist das, was Krassa & Co als "Kabel" interpretieren. Die Gesamtdarstellung ist ein Symbol für den ersten Tag des neuen Jahres.
Hier an der Stelle möchte ich die nun gegenstandslos gewordene Besprechung des Reliefs aus der Sicht von Krassa/Habeck abbrechen und ziehe ein kleines
Es ist schon interessant. Viele grenzwissenschaftliche Bücher kommen zu ihren manchmal absurd anmutenden Schlussfolgerungen, weil die Autoren Fachliteratur ignorieren und frei von jeder Faktenbasis haltlose Spekulationen anstellen.
Krassa/Habeck hatten aber zweifelsfrei entsprechende Fachliteratur zur Hand, und sie haben sie, wie man aus einigen stellenweise wortwörtlichen Textübernahmen erkennen kann, auch benutzt. Ja, sie hatten sogar topaktuelle Übersetzungen zur Hand, die noch nicht einmal dem Fachpublikum zur Verfügung stand. Und dennoch kommen sie zu Schlüssen, die mit der vollständigen Textbasis nicht zu erzielen sind. Plausibel wirken ihre Schlüsse nur durch Auslassung wesentlicher Elemente (wie Ihi) und Textpassagen (die Erklärung der Rolle von Somtus in den Texten), und auch durch bewusste Verfälschung der Aussagen in der von ihnen verwendeten Fachliteratur (bei der Degradierung von Somtus zur Leuchterscheinung).
Während man manchen Autoren schon fast "verzeihen" kann, weil ihre Thesen aus purer Unkenntnis entstanden sind, müssen wir hier andere Maßstäbe anlegen, denn die Autoren scheinen, ähnlich wie Sitchin, das ihnen zur Verfügung stehende Material bewusst verfälschend verwendet zu haben.
Dennoch (oder gerade deswegen?) zählen diese beiden Autoren zu den Lichtgetalten in der Paläo-SETI-Bewegung, und ein "Nachbau" ihrer Thesen in Form einer riesigen "Lampe" und einer Replik der Krypten nimmt einen großen Bereich in Dänikens Mystery-Park ein (darauf komme ich später noch zurück). Ich finde dies ziemlich bedenklich.
Ich werde nun noch einmal das Nordwand-Relief von links nach Rechts besprechen (und ab und an weitere Ausdeutungen von Krassa/Habeck dagegenhalten). Bei genauerer Betrachtung der Texte bei Waitkus fiel mir allerdings umgehend eine weitere Ungereimtheit beim Umgang unserer Autoren mit dieser Quelle auf.
In der fraglichen Krypta befinden sich insgesamt fünf voneinander getrennte Reliefs (zwei davon mit "Glühbirnen"), die mit den fünf Festen, die im Festraum des Tempels aus dieser Krypta "gespeist" werden, korrespondieren. Und jedes Relief ist mit einem eigenen Satz erklärender Beitexte versehen. Unsere beiden Elektrotheser ignorieren einfach die Zuordnung, und greifen alle Textpassagen aus der Krypta, die sie als nützlich für ihre These empfinden, heraus, egal zu welchem Relief sie gehören, und suggerieren dem Leser, sie würden alle zum Lampenrelief gehören...[20]
Aber nun endlich zu den Reliefdetails. Die Figur ganz links im Komplettbild haben wir ja schon erfolgreich als den Gott Ihi identifiziert. Dieser leitet das entsprechende Fest mit den Worten ein, daß er das Herz von jemandem mit schönen Geschenken erfreut (und die Wut vertrieben) habe. Wessen Herz erfreut? Ganz einfach, das Herz der danebenstehenden Person, die von Krassa/Habeck als "Priester der die Lampe hält" interpretiert wird. Die Texte nennen aber eindeutig den Namen dieser Figur: Es ist offenbar Harsomtus, denn zu ihm existiert der Text
W.z.s. von Harsomtus-das-Kind...: 'Du leuchtest mit der Stirnschlange im Lande von t3-rr (Dendera)...[21]
Die Stirnschlange ist die kleine Uräusschlange, die bei der Figur hinter der Lampe zu erkennen ist, zudem ist die Person anhand der Haartracht als Jüngling erkennbar. Interessanterweise folgt sogleich ein weiterer Harsomtus-Spruch:
W.z.s. von Harsomtus, dem großen Gott, der in Dendera weilt, der aufgeht aus der Lotosblüte als lebender Ba, dessen Vollkommenheit erhoben wird von den km3tjw-Bildern seines Ka, ..., dessen Leib der dd-Pfeiler trägt, unter dessen ssmw-Bild die Uranfängliche(Hathor) ist, und dessen Majestät die Genossen seines Ka tragen.[22]
Hier sind fast alle wesentlichen Erklärungen vereint. Harsomtus taucht auf dem Relief in zwei Gestalten auf: als Jüngling (die Person hinter der "Birne"), und als "großer Gott" in seiner eigentlichen Gestalt, der Sonnenschlange die aus dem Lotos steigt. Nichts anderes ist nämlich die vermeintliche "Glühlampenfassung" auf der linken Seite: Der Lotos, aus dem die neue Sonne (Harsomtus) beim Beginn der Schöpfung aufsteigt.
In alten ägyptischen Reliefs geschieht das normalerweise senkrecht, aber dies ist kein rein ägyptisches Relief mehr. Der griechische Künstler verwendete zwar noch ägyptische Symbolik, passte sie aber seinen Aussagen an.
Daß Somtus die Schlange ist geht aus dem Text hervor, denn der "dd-Pfeiler" soll den Leib tragen. "dd" ist nichts anderes als der Djed, der merkwürdige, von der PS als "Isolator" bezeichente Pfeiler vorne, dessen Arme die Schlange heben - die Zuordnung ist also eindeutig.
Der Ka des Harsomtus erhebt "die Vollkommenheit" des Harsomtus. Der Ka ist die Lebenskraft, ein virtueller Doppelgänger einer Person (und eines Gottes). Der Ka wird hier im Plural erwähnt - klar, da Harsomtus zweimal erscheint, erscheint auch sein Ka zweimal. Es sind die beiden Knirpse unter der "Blase", die als Kinder, der Urform des Somtus, dargestellt sind. Die "Blase" ist daher offenbar die "Vollkommenheit des Somtus"- wahrscheinlich der Morgenhimmel .
Vor den beiden Knirpsen sitzt eine Frau - Hathor. Und das ganze Gebilde ist eine Sonnenbarke, wie der Begleittext ebenfalls erklärt:
"W.z.s. von Harsomtus, dem großen Gott der in Dendera weilt, dem lebenden Ba in der Lotosblüte der Sonnenbarke"[23]
Da wir wissen, daß "Harsomtus, der lebende Ba" aus der Lotosblüte kommt, und diese die "Lotosblüte der Tagesbarke" ist, ist das von unseren Elektroautoren als "Kabel" gedeutete Dingens in Wirklichkeit die Tagesbarke, mit der Re, der Gott der "ausgewachsenen" Sonne, über den Himmel segelt. Ebenfalls eine eindeutige Identifizierung.
Eine kleine Erläuterung: in populärwisenschaftlicher Literatur liest man normalerweise von "dem" Sonnengott Re als einziger Form. Das ist eine eigentlich unzulässige Vereinfachung, denn die Sonne verkörperte viele Götter. Genauer gesagt war die Sonne in ihrer wandelnden Gestalt lediglich die sichtbare Ausprägung der Götter. Schon in früher Zeit unterschieden die Ägypter zwischen der Morgen- Tages- und Abendform der Sonne, die sie mit der menschlichen Entwicklung als Kind, Erwachsener und Greis gleichsetzten: Kepheri-Re-Atum. In späterer Zeit (und aus der stammt der Dendera-Tempel) war praktisch stündlich ein anderer Gott für die Sonne "verantwortlich".
Weiter im Text - äh, Relief. Vor der Hathor, der Mutter des Somtus, ist ein kleiner Kasten auf dem ein kleines Kerlchen mit einer Scheibe auf dem Kopf sitzt. Dieser wird merkwürdigereweise in den Texten mit keiner Silbe erwähnt, obwohl er eine bedeutende Rolle spielt. Das mag daran liegen, daß er für die Ägypter (und auch die herrschenden Griechen) so selbstverständlich war, daß man ihn nicht genauer erwähnen mußte. Zusammen mit dem Djed spielt er eine interessante Doppelrolle, auf die ich gleich eingehen werden...
Zuerst widme ich mich noch den beiden anderen Figuren rechts von der Blase. Die seltsame Gestalt mit den Messern wird von unseren Elektrofreunden als "Lichtbringer Thot" interpretiert - mit seitenlangen Erörterungen, wer und was Thot war und was er symbolisiert haben könnte. Gefahr, Hochspannung, Stromschlag, weil im Begleittext etwas von geschlagenen Feinden steht.
Dummerweise steht im Begleittext aber auch genau, WER diese Gestalt ist. Und sie ist nicht Thot. Denn der danebenstehende Text sagt:
UPU: Dein Name ist vollkommen als Upu, Dein Gesicht ist da einer Kröte. "Ich habe die Feinde mit dem Messer neidergemetzelt, und ich fälle Deine Gegner in der Richtstätte."[24]
Upu ist ein Gefährte der Hathor, und Schutzgott von Somtus, der die aufgehende Sonne vor Feinden beschützt. Er ist zwar ein Affengott, aber nicht identisch mit Thot. Er wurde, wie in den Schriften von Waitkus selbst nachzulesen ist, später mit Atum gleichgesetzt.[25]
Upu ist also keine Warnung vor Hochspannung, sondern ein Symbol dafür, daß Somtus unter Schutz steht...
Ganz rechts, auf meinem Foto leider kaum erkennbar, ist noch einmal Somtus in anthropomorpher Form dargestellt, "geschützt in seinem Schrein", wie der Begleittext sagt[26], möglicherweise das Abbild eines separaten Schreines, der bei der Prozession getragen wurde.
Kommen wir nun zu dem "Kerl auf dem Kasten" und seiner Rolle. Es handelt sich um Heh, den Träger des Himmels, der die Sonne bei ihrem Aufgang an den Himmel erhebt. Heh ist ein Symbol für "dauern", für die Ewigkeit. Und das ist eigentlich genau dasselbe, was "Djed" darstellt, der den Leib der Schlange (Harsomtus) trägt.
Nein, eigentlich nicht, denn das Weltbild der Ägypter war komplizierter als unseres. Eines ihrer Hauptkonzepte war die Dualität der Dinge. Menschen und Götter existierten zweifach. Als Person und als Ka. Und auch die Welt existierte zweifach. Als Diesseits- und als Jenseitswelt. Und auch die Zeit existierte zweifach. Als Djet, und als Neheh-Zeit.
Auch wenn über die Deutung der Neheh-Zeit noch keine Einigkeit existiert, sehen sie wesentliche Experten ägyptischer Religion (z.B. E. Otto, Morenz) als "zyklische Zeit" an, im Gegensatz zur "Statischen Zeit" Djet. Erik Hornung vermerkt dazu, daß Neheh eher dynamisch ist, im Gegensatz zum statischen Djet[27]. Während Djet das dauerhafte Fortbestehen sichert, kann sie nicht dafür sorgen, daß periodische Vorgänge wie Sonnenaufgänge oder Jahreszeiten ewig gleich wiederkehrten. Dafür war nach Ansicht der Experten die Nehen-Zeit zuständig.
Symbol für die Nehen-Zeit war Heh, der Himmelsträger. Also der kleine Kerl auf dem Kasten, der die Blase trägt. Da Heh den Himmel trägt, und er hier die Blase trägt, in die Harsomtus, die neue Sonne emporsteigt, kann man also mit ziemlicher Gewissheit davon ausgehen, daß die Blase nichts anderes darstellt als den Himmel - die "Vollkommenheit des Harsomtus". Der Himmel ist aber eine Verkörperung der Nut, sodaß man die Blase guten Gewissens als Nut = Himmel ansehen kann. Aber das nur am Rande.
Wie kann man die Darstellung nun interpretieren? Der Djed hebt die Schlange, also die aufgehende Sonne. Heh hält den Himmel MIT der aufgehenden Sonne. Also sorgt der Djed für die immerwährende Existenz der aufgehenden Sonne, während Heh hier zusichert, daß diese Konstellation immerwährend einritt.
Jetzt macht auch die im Technikteil angedeutete Dreiteilung der Objekt-Enden Sinn: Auf der Nordseite trägt Djed den Sonnengott Harsomtus um dessen dauerhafte Existenz zu gewährleisten. Heh trägt in diesem Falle den Morgenhimmel, um dessen Wiederkehr auf Ewigkeit zu sichern. Auf dem Süd-Relief unterstützt einmal Djed, ein anderes mal Heh den Himmel um die Dauerhaftigkeit und die ewiger Wiedererscheinung zu garantieren. Beide Reliefs stehen sich zudem direkt gegenüber. Die technisch absolut unsinnigen Armstellung dieser Bilder gibt nun einen eindeutigen Sinn.
Ich versprach ja, ein paar Anmerkungen dazu zu geben. Schlangensteine werden in der PS fast genauso verächtlich betrachtet wie das Oberschimpfwort "kultisch". Schlangensteine gelten als Symbol der Hilflosigkeit der Ägyptologie - und sind dennoch total einfach zu erklären.
Schlangen waren heilige Tiere in Ägypten, und galten als göttlich. Sicher, Schlangen bissen Menschen, aber das wurde als göttliches Zeichen gedeutet: Die betroffene Person hatte etwas unredliches getan, ganz klar.
Schlangen galten daher als Schutzpatrone, sie sollten Tempel und Gräber schützen. In den ältesten religiösen Schriften, den Pyramidentexten, befinden sich seitenlange Schutzsprüche, in der die Schlangen gebeten werden, den Pharao zu schützen. Diesen Schlangen wurden auch auf Stelen beschworen, die auf der Vorderseite schriftlos waren und nur eine aufgerichtete Schlange zeigten. Die Aufrichtung solcher Schutzstelen neben den Eingängen von Heiligtümern wurde sogar von den Ägyptern persönlich belegt - so auch in Dendera! Es wurden sogar originale Schlangesteine gefunden. Und all das hätten Krassa/Habeck ebenfalls in dem von ihnen verwendeten RÄRG nachschlagen können!!![28] Die Schlangensteine haben es sogar in das Alphabet der Ägypter geschafft - als Zeichen O 195a, 196, 196a[29]. Genau das sind nämlich die auf der vorherigen Seite gezeigten beiden senkrechten "Lampen".
Es ist daher durchaus möglich, daß der Designer der Dendera-Reliefs bei der Auswahl der Form der "Blase" auch diese Symbolik in das Relief ziehen wollte.
Auf der Folgeseite werde ich die kompletten Texte zu den Reliefs bringen, die in Hinsicht auf die Lampenthese noch andere Überraschungen bereit halten...
Anmerkungen: | |
[2] | Bonnet, Hans; RÄRG S. 282 |
[2] | Waitkus, Wolfgang; Die Texte in den unteren Krypten des Hathortempels von Dendera MÄS 47 1997, S. 233f |
[3] | ibd., Abb. 4 |
[4] | ibd. S. 243 ff |
[5] |
Die Ägypter hatten drei Jahreszeiten mit je vier Monaten. Das Jahr begann, völlig unabhängig vom Kalender, mit der Jahreszeit "Akhet" zum Beginn der Nilschwemme. Danach folgte die Jahreszeit der Aussaat (Prt), gefolgt von der Jahreszeit der Ernte (Shemu). Während die Jahreszeiten jedes Jahr neu mit dem Sirius-Frühaufgang gekoppelt wurden, wanderte der Kalender in 1460 Jahren durch alle Jahreszeiten, da die Ägypter kein Schaltjahr verwendeten. Infos aus Bunson, Margaret; A Dictionary of Ancient Egypt, Oxford University Press 1991 S. 237 |
[6] | Vergl. Waitkus S. 125 SC-S |
[7] | ibd. |
[8] | ibd. S. 277 |
[9] |
ein jährliches, mehrtägiges Fest der Besäufnis auf Staatskosten, siehe Bonnet, Hans; Reallexikon der ägyptischen Religionsgeschichte (RÄRG), de Gruyter 1953, S. 187 "Feste" |
[10] | Waitkus S. 235 |
[11] | Bonnet, RÄRG S. 728f "Somtus" |
[12] | Voegelin, Erich; nach Assmann, Jan Ma'at, Beck 1990 S. 28 ff |
[13] |
Mehr dazu z.B. in: Assmann, Jan; Zwei Sonnenhymnen der späten 18. Dynastie in thebanischen Gräbern der Saitenzeit in MDAIK 27 Vol. 1, S. 1-34 |
[14] | Bonnet, S. 728 f "Somtus" |
[15] | Waitkus, S. 127 f |
[16] | Hannig, Handwörterbuch Vol. 1 S. 408 f |
[17] | ibd., S. XLIII ff |
[18] | Waitkus, S. 124 f |
[19] | Waitkus, S. 125 |
[20] | Ab S. 214 kommen die nicht zum Relief gehörende Texte... |
[21] | Waitkus, S. 127 |
[22] | ibd. |
[23] | ibd. S. 126 |
[24] | ibd, S. 128 |
[25] | ibd. Anm. 60 S. 137 |
[26] | ibd. S. 128 |
[27] | Hornung, Pharaonenzeit, S. 75 ff |
[28] | Bonnet, S. 684 f "Schlangenstein" |
[29] | Hannig, Handwörterbuch Vol. 1 S. 1154 |
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