Eine weit verbreitete Strömung in der Grenzwissenschaft vertritt immer noch die biblischen Verbindungen mit den Pyramiden, die im 19. Jahrhundert erfunden wurde um die englische Vorherrschaft in der Welt als gottgegeben zu zementieren. Dieser Theorie nach stammen die Engländer direkt von den in Ägypten versklavten Israeliten ab und erbten von ihnen unter anderem auch das Maßsystem. Und da die (in der geistigen Strömung des 19. Jahrhunderts) dreckigen Sklaventreiber von Ägyptern unfähig gewesen wären, diese großartigen Bauten zu errichten, waren sie eben unter "göttlicher Einwirkung" entstanden - mit allerlei Zeichen die der wahrer Gläubige erkennt.
Diese religiös/rassistisch angehauchten Thesen sind heute nicht tot, sondern werden recht schmerzfrei, ohne Betrachtung der Hintergründe und der Motivation, in die moderne PS-Literatur eingegliedert. Diese Gedankenlosigkeit finde ich etwas irritierend.
Eine der Thesen jener Zeit war, daß die Bundeslade der Israeliten entweder nach dem Sarkophag in der Cheopspyramide modelliert wurde (der in den Augen vieler Grenzwissenschaftler natürlich nie ein Sarg gewesen ist), oder daß sie einstmals in ihm untergebracht gewesen ist. Denn die Maße von Lade und Sarg stimmten präzise überein, so der Urgeber dieser These, John Taylor. Dieser war Verlagsbuchhändler und Hobby-Pyramidenforscher und zählte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu den Gründervätern der Pyramidologie.
Der Sarg liegt uns heute glücklicherweise noch vor und kann ausgemessen werden. Bei der Bundeslade sind wir aber auf biblische Schilderungen angewiesen. Im Buch Mose finden wir: "Machet eine Lade aus Akazienholz, dritthalb Ellen lang, anderthalb Ellen lang und hoch"[ 1 ]. Dritthalb heißt dabei nicht wie ich ursprünglich vermutete dreieinhalb, sondern zweieinhalb.
Dennoch können wir bereits die erste Behauptung zerschmettern: Der Sarg ist höher als breit, während die Bundeslade mit einem quadratischen Querschnitt geschildert wird. Zudem beträgt das Breiten/Längen- und Höhen/Längen-Verhältnis der Lade jeweils 1:1,666, die des Cheops-Sargs aber 1:2,30 und 1:2,165. Der Sarg wurde also definitiv nicht nach biblischen Angaben konstruiert.
Eine weitere, von Worth Smith 1936 publizierten These betrachtet ausschließlich das Volumen. Denn nur dieses sei identisch zur Bundeslade, und nicht die Dimensionen. Im März 2001 wurde dieses Thema auf dem Forum Auf den Spuren einer unbekannten Vergangenheit andiskutiert.
Auch das lässt sich halbwegs schnell überprüfen, indem man die biblischen Angaben mit den Maßen des Sargs vergleicht. Leider war die Elle kein genormtes Maß wie unser Meter, jeder Stamm verwendete abweichende Einheiten. Historisch nachweisen ließ sich der Gebrauch der folgenden vier Maße:
Die Angaben auf die sich die Anordnung zum Bau der Lade beruht daher mit hoher Wahrscheinlichkeit auf einem der vier Maßsysteme. In der folgenden Tabelle vergleiche ich die heutigen Innen- und Außenmaße des Cheops-Sarkophags[ 4 ] mit den vier Maßsystemen. "innen" und "außen" bezeichnen dabei die Innen- und Außenmaße des Cheops-Sargs, die untere Zeile gibt den Rauminhalt an.
Seite | innen | außen | Elle 1 | Elle 2 | Elle 3 | Elle 4 |
---|---|---|---|---|---|---|
Länge | 1,977 m | 2,276 m | 1,309 m | 1,120 m | 1,163 m | 1,210 m |
Breite | 0,677 m | 0,987 m | 0,785 m | 0,672 m | 0,698 m | 0,726 m |
Höhe | 0,872 m | 1,051 m | 0,785 m | 0,672 m | 0,698 m | 0,726 m |
Volumen | 1,167 m3 | 2,351 m3 | 0,807 m3 | 0,506 m3 | 0,566 m3 | 0,638 m3 |
Es ist schnell zu sehen: Keine der gebräuchlichen Ellen haut hin. Alle sind dramatisch zu klein. Der Autor Erdogan Ercivan wies anschließend darauf hin, daß ein Autor zur Lösung des Rätsels eine in Palestina eingesetzte frühe Elle von 66,60 cm Länge verwendet habe[ 5 ]. Ich habe dies selbstverständlich auch nachgerechnet, und komme dabei auf die Maße
l = 1,665 m, h,b = 0,999 m, Volumen 1,662 Kubikmeter. Auch hier lässt sich keine Übereinstimmung feststellen.
Aufklärung kam als ich die für das "Aufgehen" verwendeten Innenmaße des Sarkophags betrachtete. Der Autor verwendete für seinen "funktionierenden" vergleich die Maße 2,04 x 0,9 x 0,9 m, und die sind natürlich völlig anders als die von mir verwendeten Werte. Peter Tompkins fasst in seinem Buch "Secrets of the Great Pyramid" die Messwerte verschiedener Forscher zusammen[ 6 ]:
Vermesser | Länge | Breite | Höhe | Volumen |
---|---|---|---|---|
Tompkins | 1,977 m | 0,677 m | 0,872 m | 1,167 m3 |
Greaves | 1,977 m | 0,676 m | 0,872 m | 1,165 m3 |
Petrie | 1,983 m | 0,681 m | 0,874 m | 1,180 m3 |
Smyth | 1,977 m | 0,676 m | 0,872 m | 1,165 m3 |
Bei diesen so dicht beieinanderliegenden Resultaten kann man wohl davon ausgehen, daß solch grobe Schnitzer wie nötig (7 cm Messfehler in der Länge, 3 in der Höhe und gar 23(!) Zentimeter in der Breite) auszuschließen sind. Danach scheint die ganze ursprüngliche These auf fehlerhaften Messungen zu beruhen. Da diese These schon seit über 60 Jahren zirkuliert, stellt dies leider erneut ein Beispiel kritikloser Übernahme durch Generationen von Autoren dar.
Man kann übrigens noch einen Schritt weiter gehen und die notwendige Elle (ich nenne sie mal Geheimelle GE :-) ) sehr einfach berechnen. Laut Bibelangaben muss das Volumen 2.5 GE x 1.5 GE x 1.5 GE entweder 1.167 m3 (Innenvolumen) oder 2,361 m3 (Außenvolumen) betragen. Daraus folgert, daß die dritte Wurzel von (1,167/5,625) oder (2,361/5,625) die gesuchte Elleneinheit ist. Das wären 59,199 cm (Innenvolumen) oder 75,873 cm (Außenvolumen). Beide Einheiten sind archäologisch nicht nachgewiesen, die ganze Geschichte ist daher zum jetzigen Zeitpunkt haltlose Spekulation.
Anmerkungen: | ||
[ 1 ] |
2. Mose 25, 10 | |
[ 2 ] |
s. z.B. Gillings, Richard; Mathematics in the time of the pharaos, MIT Press 1972, S, 206/207 | |
[ 3 ] |
Kaufman, Asher S.; Where the Ancient Temple of Jerusalem Stood, BAR, March/April 1983. | |
[ 4 ] |
Entnommen aus: Stadelmann, Rainer; Die ägyptischen Pyramiden, 3. Auflage, Zabern 1997, S. 120 | |
[ 5 ] |
Bible Students Assosation, New York 1992 Bd.I.S.286 | |
[ 6 ] |
Tompkins, Peter; Secrets of the Great Pyramid, Harper 1971, S. 323, 324 |
Zurück: Sassoons Kommentar |