Der folgende Tag verlief absolut pannenfrei. Das hätte mir eigentlich zu Denken geben sollen, denn schon von Al Bundy her weiß man, dass das Schicksal manchmal ein wenig für einen großen Schlag spart ;-)
Aber der Reihe nach. Das war heute für Hermann der letzte Tag "Kultur". Eigentlich wollten wir ja überhaupt nicht nach Kairo, aber da de Flüge ans Rote Meer alle ausgebucht gewesen waren, blieb uns keine andere Wahl. Und wenn man schon mal in der nähe war, wollte Hermann auch mal ein paar Pyramiden sehen...
Am Vortag war ich nach meinem Kameradesaster vorzeitig aufgebrochen, um Eva zu treffen. Hermann war aber so begeistert gewesen, dass man ihn, so erfuhr ich am nächsten Morgen, mit Zwang vom Plateau entfernen mußte, nachdem dieses um 17 Uhr die Tore schloss. Besonders die Felsgräber um Chentkaus herum hatten es ihm angetan.
Nach Giza standen heute die anderen Großbauten auf dem Programm: Sakkara, wo ich der "verlorenen" Pyramide von Sechemchet einen Besuch abstatten wollte, und, wenn die Zeit noch reichte, Dahschur.

Sakkara

Obwohl ich bereits x mal in Sakkara gewesen bin, brachte dieser Tag einige Überraschungen. Einige davon allerdings erst Wochen, nachdem ich aus dem Urlaub zurückgekehrt war. Als ich die Fotos montiert hatte.
In diesem Urlaub versuchte ich mich nämlich erstmals mit Freihand-Panoramaufnahmen, bei der ich Serienbilder mit leicht gedrehter Kameraposition zwischen den Bildern anfertigen und nachher am Computer zusammenmontieren wollte. Meine Versuche in Giza scheiterten bzw. lieferten wegen des trüben Wetters keine brauchbaren Ergebnisse, aber in Sakkara hatten wir strahlenden Sonnenschein. Ein gutes Zeichen...
Außerdem wollte ich am Serdab der Stufenmastaba von Djoser einige Angaben überprüfen, die der Bestsellerautor Robert Bauval verwendete, um dieses Bauwerk neu, und wieder mal "astronomisch" zu datieren.
Diese ganze astronomische Datiererei geht mir, locker gesagt, langsam auf den Senkel. Als ob die Ägypter nichts anderes zu tun gehabt hätten, als Eingänge, Serdabs, Schächte oder ganze Pyramiden nach irgendwelchen Sternen auszurichten. Erst kürzlich (6/2003) wollte er sogar den Karnaktempel aus dem Neuen Reich ins Jahr 3200 v. Chr. vordatieren, da der Eingang der Anlage auf den Ort einer in Ägypten überhaupt nicht wahrnehmbaren Sonnenfinsternis zu dieser Zeit deute, die seiner Meinung nach die Reichseinigung unter Menes und die Einführung des 365-Tage-Kalenders markierte...
Mehr über Bauvals Methoden kann man auf meiner Orion-Seite nachlesen.

Der geplante Rundgang entwickelte sich allerdings anders als geplant, was wir allerdings nicht bedauerten. Unterhalb des Unas-Aufwegs war eine Mastaba und zwei Felsgräber frisch geöffnet, und wir beschlossen, diese zu besichtigen. Von dort wollten wir über die Unas-Pyramide zu Sechemchet vorstoßen, um anschließend Djoser zu besuchen.
Der "Aufweg" einer Pyramide war Teil des gesamten Pyramidenkomplexes. Es war ein langer, wahrscheinlich überdachter Gang mit vielen Reliefverzierungen, der den Taltempel am Nil, wo der tote Pharao auf seiner Prozessionsbarke ankam, mit dem Totentempel an der Ostseite der Pyramide verband. Die erhaltenen Aufwege liegen praktisch alle "ebenerdig", was in populärwissenschaftlichen Büchern auch normalerweise so eingezeichnet wird. Hier ist eine Ansicht eines Teils des Aufwegs zur Unas-Pyramide mit einem kleinen rekonstruierten Tunnelabschnitt:

Unas-Aufweg

Wie falsch dieser Eindruck ist, kann man an der Unas-Pyramide besonders eindrucksvoll sehen, da dort die Südseite des Aufwegs bis auf eine Tiefe von vielleicht 6 Metern freigelegt worden ist. In Wirklichkeit war der Aufweg zu Teilen ein Damm, der Schluchten in seinem Verlauf überspannte:

Unasaufweg Blick West Unasaufweg Blick Ost

Die Seiten dieser Aufwege sind zum Teil noch gänzlich unausgegraben, und in den letzten Jahren wurden bei Probegrabungen bereits teilweise aufsehenerregende Funde gemacht. In Abusir, an der Pyramide von Sahure, wurden zum Beispiel vier Relieffragmente des Aufwegs mit sensationellem Inhalt gefunden. Ein Bruchstück zeigt erstmal konkrete Bautätigkeiten, nämlich eine Schar von Arbeitern, die das laut Beischrift mit Gold überzogene Pyramidion (die Spitze der Pyramide) zur Baustelle zieht. Der Schlitten mit dem Pyramidion ist auf dem Bruchstück nicht zu sehen, aber die Schleppmanschaft, der Wassersprenger (der die Kufen vor dem Schlitten anfeuchtet) und der Beitext, der die Tätigkeit erläutert.
Ein anderes Fragment beschreibt offenbar Erlebnisse der Mannschaft, die nach "würdigen" Gestein für das Pyramidion suchte und auf eine Beduinenfamilie stieß.
Das vierte Fragment ist aber noch sensationeller: Es zeigt der Beischrift zufolge den Architekten der Pyramide, der mit den Bauplänen unter dem Arm auf sein Wer schaut! Was mögen weitere Grabungen dort und an anderen Aufwegen noch alles zu Tage fördern?[1]

Zu Fuße dieses Damms liegen die neu geöffneten Gräber aus der 5. und 6. Dynastie, die beweisen, dass die Basis der Aufwege während ihrer Nutzungszeit tatsächlich frei lagen, und erst in neuerer Zeit zum heutigen Eindruck zugeweht worden sind. So zum Beispiel die komplette Mastaba von Mastaba Khnum-Hetep & Ni-Ankh-Khnum aus dem Alten Reich:

Mastaba Khnum-Hetep & Ni-Ankh-Khnumbb

Brüder? Um die Mastaba rankt sich seit ihrer Entdeckung ein Streit. Ursache ist die Tatsache, dass hier offenkundig zwei Personen in einem Grab beigesetzt wurden - ein äußerst seltener Vorgang -, und dass diese beiden Personen in seltsam zutraulichen Gesten, wie im Bild links abgebildet sind. Könnte dies, wie einige vermuten, der Beweis für öffentlich praktizierte Homosexualität in Ägypten sein? Oder ist es nur, wie konservativere Experten vermuten, nur ein Zeichen der Zutraulichkeit zwischen Brüdern?
Homosexualität galt offiziell als "Abweichung", daher findet man in manchen Gräbern den Sprich "Ich bin nicht abgewichen, ich hatte keinen männlichen Liebhaber".[2]
Andererseits gibt es sogar einen Bericht über königliche Homosexualität im Alten Reich, zwischen Pepi II und seinem General Sisene, beobachtet mehrere Nächte hintereinander von einem Diener.[3]
Aber es werden sicher noch weitere Untersuchungen benötigt, um zu diesem Thema eine eindeutige Aussage treffen zu können.

Etwas weiter den Aufweg entlang und etwas tiefer liegt das Felsgrab von Nefer. Dadurch, dass es mehrere 1000 Jahre verschüttet gewesen ist, blieben die originalen Farben in ihrer Leuchtkraft erhalten. Das Grab enthält daher viele Kleinode ägyptischer Reliefkunst:

Schiffsdarstellung bei Nefer
 Hieroglyphen bei Nefer

Nach Nefer ging es schnurstracks zurück zum Unas-Aufweg, und von da zur Unas-Pyramide selbst. Auf dem Weg betrachteten wir noch einige neu freigelegte Gräber, und schauten südöstlich der Pyramide ein wenig Ausgrabungsarbeiten in einem mehrstöckigen Höhlenkomplex zu. Dann ging es aber ab zu Sechemchet.
Sechemchet war der Sohn von Djoser, der die allererste Pyramide Ägyptens baute. Sechemchet wollte sich ein ähnliches "Modell" erbauen lassen, doch wegen seiner kurzen Regierungsdauer war nach nur ein paar Metern Schluß. Die Baustelle wurde zugeweht und vergessen. Und genau das geschieht heute wieder.
Umfassungsmauer SechemchetZu Beginn der 50'er Jahren fragte sich der ägyptische Ägyptologe Zakaria Goneim, warum man von den Herrschern der 3. Dynastie nur genau zwei Pyramiden kennt - die Stufenpyramide von Djoser, und die Schichtpyramide von el-Aryan. Er vermutete, dass eventuell in Sakkara, unter einer großen, in den Karten als "natürliche Ebene" gekennzeichneten Fläche, eine archäologische Stätte verborgen sein könnte. Am 27.9.1951 begann er, dort zu graben. Schon nach wenigen Tagen stieß er auf altes Mauerwerk, welches dem der Scheinbauten bei Djoser ähnelte. Und im Dezember 1951 stieß er auf das eindeutige Zeichen für einen Grabbezirk der 3. Dynastie: die Umfassungsmauer.
Die nächsten Jahre wurden große Teile der Pyramide freigelegt, die offenkundig wirklich nur rudimentär angelegt worden war. Auch die Schächte im Inneren zeigten überall ihren halbfertigen Zustand, aber dennoch war ein Abschnitt mit einer Mauer sorgfältig versiegelt worden. Nachdem man dort hindurchgebrochen war, fand man einen vollständig erhaltenen und noch versiegelten Sarg, auf dessen Oberteil vertrocknete Blumengirlanden lagen. Da man während der Arbeiten in der Pyramide bereits ein paar Schätze gefunden hatte, waren die Hoffnungen hoch, den goldgeschmückten Pharaonensarg vorzufinden. Die Weltpresse wurde informiert, auch der ägyptische Präsident Nasser hatte sein Erscheinen angekündigt. Man öffnete den Sarg - und er war leer. Nicht ausgeraubt-leer, sondern unbenutzt-leer. Hier war nie etwas drin gewesen!
Die Presse stürzte sich wie die Geier auf diese "Pleite" - "Pharaonisches Fiasko" und "Sie graben drei Jahre und finden nichts" waren die Reaktionen.[4]
Später beging er Selbstmord. In der populärwissenschaftlichen Literatur halten sich Gerüchte, er hätte die "Schande", eine leere Pyramide zu finden, nicht ausgehalten. Speziell einige grenzwissenschaftliche Autoren spinnen die Geschichte, er habe sich nur wenige Tage nach der "Pleite" umgebracht. Nunja, die Pyramidenöffnung war Ende Juni 1954, Selbstmord beging er im Sommer 1959 - also "wenige" 1800 Tage später. Und die Ursache war eine Schmutzkampagne, die ihn der Hehlerei von Museumsstücken beschuldigte (die tragischerweise an seinem Todestag wiedergefunden wurden).

Umfassungsmauer als KamelpfadNach seinem tragischen Tod geriet der Komplex in Vergessenheit und er wehte langsam wieder zu. Die einstmals freigelegte Umfassungsmauer ragt nur noch an wenigen Stellen über den Sandboden hinaus, der Rest dient als Karawanenpfad.
Dabei ist vom gesamten Areal nur ein winziger Bruchteil ausgegraben. Die Umfassunsmauer, die Gänge, und ein Loch welches als Südgrab bezeichnet wird. Was dort wohl noch alles auf zukünftige Ausgräber warten wird?
Erst zu Hause stellte ich durch einige Panoramaaufnahmen fest, dass noch nicht einmal die vorhandenen Pläne zu Sechemchet stimmen können, da von mir fotografierte Strukturen in ihnen an völlig anderen Stellen oder sogar überhaupt nicht auftauchen. Aber das wird Inhalt einer längeren Untersuchung zu dem Thema werden.
Hier eines der von mir angefertigten Panoramen der Site:

Panorama Sechemchet

Die Qualität ist noch ein wenig mangelhaft, aber ich übe noch :-)
Auf dem Rückweg zu Djoser wurden wir von einem Wächter abgefangen, der uns gegen ein paar Pfund (abseits der Haupt-Touristengebiete sind die Bewacher recht genügsam) in das erst kürzlich entdeckte alte Grab des Generals und späteren Tut-Nachfolgers Haremhab führte.
Nachdem ich am Djoserserdab meine Messungen durchgeführt hatte (bei der ich feststellte, dass Bauval, wen wundert's, mal wieder Daten "kreativ" ausgelegt hatte), fuhren wir noch nach Dahschur.
An der Knickpyramide luden uns zwei gelangweilte Polizisten ein, die Aussicht von der Spitze der Nebenpyramide zu genießen, wo sie offenkundig einen festen Picknickplatz eingerichtet hatten. Von dort gelang mir ein wirklich beeindruckender Panorama-Schuß der nur wenige Dutzend Meter entfernten viertgrößten ägyptischen Pyramide:

Panorama Knickpyramide

Vorspiel zum Desaster...

Mit Dahschur war die Kultur erstmal vorbei, nun folgten zwei Wochen Tauchen. Wir nahmen einen Linienbus vom Busbahnhof Kairo nach Sharm, Fahrzeit knapp 6 Stunden. Ursprünglich hatten wir an einen Inlandsflug gedacht, aber mit hinfahren, einchecken, Flug, Auschecken und Fahrt zum Hotel hätten wir auch 3 Stunden Zeit verschleudert. Dann der Preisunterschied - 48 Pfund oder 12 Euro verglichen mit 150 US$ (der damals noch höher war als der Euro) - dafür bekommt man schon zwei Tauchgänge :-)
Also war Packen angesagt. Als ich gerade fertig war, kam Hermann in mein Zimmer und meinte, er wolle das Netzteil für die Reserve-Videokamera, die ich ihm zur Benutzung überlassen hatte, aber nicht mit herumschleppen. Ich versuchte ihm klarzumachen, dass ich gerne wichtige Systeme getrennt transportiere - aus Sicherheitsgründen. Er bekomme seine Tasche nicht zu, war sein Einwand, und so packte ich das Netzteil grummelnd in den Jutebeutel, in dem schon mein anderes Netzteil war. Meinen Ersatzakku und den Ladestecker für meinen Rasierapparat warf ich noch dazu und stopfte sie ins obere Fach des Rucksacks.
Warum beschreibe ich das so genau? Ganz einfach - während der Fahrt nach Sharm fingerte ein Dieb da erste Teil was er erwischen konnte aus meinem Rucksack. Den Beutel mit den Ladegeräten. Dadurch verwandelte er beide Camcorder in für diesen Urlaub wertlosen Elektronikschrott. Nur bemerkte ich dieses erst Tage später...

Unten haben Sie nun die Möglichkeit, entweder mit "weiter" die staubige Route durch die Sehenswürdigkeiten Ägyptens fortzusetzen, oder mit "Umleitung" die Tauchseiten dieser Reise anzusehen. Mit "Umleitung Ende" auf den Tauchseiten kommen Sie wieder in diese Beschreibung zurück.

Zurück: Giza
 
 
Alle Bilder und Texte sofern nicht anders vermerkt © Frank Dörnenburg