Technische Untersuchung:
Die Schächte

Die kulturelle Verankerung der Orion-These ist offensichtlich gescheitert. Osiris ist zur notwendigen Zeit nicht nachweisbar, damit wurde der Orion-These die Basis entzogen. Aber wir können natürlich nicht ausschleißen, daß Orion abseits von Osiris eine spezielle Rolle inne hatte. Könnte man belegen, daß die "technischen" Belege von Bauval stimmen, wäre war seine Osiris-These falsch, aber die Korrelationsthese dennoch zutreffend. Werfen wir daher nun einen Blick auf die "technische Begründung" der OCT.
Was nun kommt ist leider wieder "harter Tobak" mit sehr viel Theorie und Berechnungen, das ist aber auch hier leider unvermeidlich. Ich habe mich bemüht, alles so klar wie möglich zu gestalten. Einiges ist eventuell etwas schwer verständlich formuliert, falls Sie etwas nicht verstehen oder noch Fragen offen bleiben, kontaktieren Sie mich bitte!

Schächte/Sterne?

Zur Einführung möchte ich auf die generelle Idee der Datierung durch Sterne eingehen und die Methode und deren Probleme ein wenig erläutern.

"Auf einen Stern zeigen"

Fig. 1 - Schachtziele

Wie schon in der Einführung angeschnitten, befinden sich in der großen Pyramide von Gizeh vier kleine Schächte, deren Bedeutung immer noch unklar ist. Die Idee, auf die vor Bauval bereits andere Forscher kamen ist die: Wenn die Schächte in symbolischer Verbindung mit Sternen stehen, wurden sie eventuell so angebracht, daß sie auf bestimmte Sterne weisen. Und zwar auf den Südstand der Sterne, der Position in der sie den höchsten Punkt ihrer täglichen Bahn erreichen (den sogenannten Kulminationspunkt).
Für die Nordschächte in der Pyramide kommen gar zwei Positionen in Frage. Da die Sternbilder im hohen Norden nie untergehen, sondern nur kleine Kreise am Himmel beschreiben, können die Schächte auf den höchsten oder den tiefsten Punkt der Bahn zeigen, die obere oder untere Kulmination.
Und sicherlich werden die Erbauer die Schächte anhand ihres aktuellen Himmelsabbilds entworfen haben. Wenn man also weiß (oder vermutet), welche Sterne das Ziel eines Schachts gewesen sind, muss man nur bestimmen, wann der Stern in genau dem Winkel kulminierte um den der Schacht geneigt ist - und schon hat man das Datum an dem der Schacht entworfen wurde. Und da man hier sogar vier Schächte hat, kann man sogar statistisch mitteln und so Baufehler eliminieren, die sicherlich vorgekommen sein werden.

Der genaue Nord/Süd-Verlauf der beiden Südschächte der Pyramide bestätigt diese Annahme. Wobei ich ein Problem nicht verschweigen möchte: Die Schächte können niemals dazu gedient haben, einen Stern optisch anzupeilen wie man in einigen Publikationen lesen kann. Das erste Stück gehen sie nämlich horizontal durchs Gestein, und sie sind zudem noch gebogen, sodaß man durch sie hindurch niemals den Sternhimmel betrachten konnte.

Schächte und Präzision

Die Schachtneigungen wurden erstmals präzise von Rudolf Gantenbrink gemessen. Dieser untersuchte die Schächte im Auftrag des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) und setzte dazu zwei Roboterfahrzeuge ein. Berühmt/berüchtigt ist dabei sicherlich die Entdeckung der Blockade im Südschacht der Königinnenkammer, die seitdem Mittelpunkt allerlei Gerüchte und Streitereien ist. Diesen werde ich mich hier allerdings nicht widmen.
Der Roboter UPUHAUT II, der für die Erkundung der Schächte eingesetzt wurde, erlaubte in Verbindung mit einem zweiten Roboter die Vermessung der Schachtneigung mit einer Präzision von 1/20° oder 3'. Gantenbrink teilte Robert Bauval persönlich die ermittelten Daten mit, und genau diese Werte wurden, so Gantenbrink, in einem ägyptologischen Journal veröffentlicht1 ]. Ich betone das, weil es weiter unten einige Bedeutung erlangt...
Zu den Schächten die von der Königskammer ausgehen vermerkt Gantenbrink, daß die Neigungen durch Bildung einer Geraden zwischen Austritts- und Eintrittspunkt gemessen wurden, und daß die Schächte trotz horizontaler Abweichungen von einer Geraden handwerklich extrem präzise gefertigt wurden. Bei Messungen per Laser konnte z.B. keine höhere Abweichung der Gangbreite als 0,005 m gemessen werden.
Noch phantastischer aber ist die Tatsache, daß die Schachteintritts- und Austrittspunkte trotz horizontaler Abweichungen im Schacht präzise auf einer Linie liegen!2 ]

Die Situation der unteren Schächte ist ein wenig anders. Der Nordschacht weist einige bauliche Veränderungen auf, Gantenbrink billigt seinen dort gewonnen Messungen daher Abweichungen von bis zu 2° zu einem eventuell geplanten Wert zu, die er auf mögliche Erdbeben zurückführt. Der Südschacht hingegen ist wieder mit außerordentlicher Präzision ausgeführt worden, keiner der 24 Einzelmesspunkte die auf einer Länge von 30 m gewonnen wurde weicht mehr als 12' vom Mittel ab.3 ]
Dies gibt einen guten Eindruck über die Präzision, mit der die Pyramidenbauer bei der Verlegung der Schächte vorgegangen sind.
Auf den folgenden Seiten werde ich für die Schachtnamen auch die in der folgenden Tabelle aufgeführten Abkürzungen von Stadelmann verwenden.

Schacht Abkürzung Neigung
König Nord nSK 3236'08"
König Süd sSK 45°00'00"
Königin Nord nSR 39°07'28"
Königin Süd sSR 39°36'28"

Tab. 1 - Schachtneigung MDAIK

Datierung - wie?

Wie schon vermerkt ist Bauval der Überzeugung, daß die Schächte auf den Höchststand einiger Sterne zeigen. In seinem Buch betont er daher ständig wie wichtig es ist, den Meridiandurchgang eines Sternes zu beobachten. Ja, sogar bei Bestimmung der Positionen mit einem Astronomieprogramm ging er offensichtlich so vor. Diese zeitaufwendige Methode der "Beobachtung des Meridiandurchgangs" hat abgefärbt, wie ich in einigen Diskussionen feststellen mußte. Dabei kann an sich diesen Aufwand ersparen und durch eine simple Berechnung ersetzen. Man muss dazu lediglich die Deklination des Sterns (sein Abstand vom Himmelsäquator) zum gewünschten Zeitpunkt ausrechnen und Beta = (90° - geographische Breite) aufsummieren - schon hat man die Höhe des Meridiandurchgangs. Ohne aufwendige Beobachtung. Und die Deklination wird normalerweise von Astronomieprogrammen direkt geliefert.
Stimmt die mit der Schachtneigung (Inklination) mit der so berechneten Höhe überein, hat man sein Datum. Eine einfache Methode. Natürlich kann man ähnlich auch die notwendige Deklination eines Sterns zur Deckung mit einem Schacht berechnen: Inklination - Beta = gewünschte Deklination.
Bei zirkumpolaren Sternen muss man (180°-Dekl.-Beta) zur Berechnung der Höhe über dem Nordhorizont berechnen, und im Gegenzug 180°-Elev.-Beta zur Ermittlung der notwendigen Deklination.
Zur Berechnung der Sternpositionen verwendete ich das Astronomieprogramm Redshift 3, welches neben der Präzessionsberechnung auch noch eine Eigenbewegungs-Korrektur (ausschaltbar) beinhaltet. Gegengecheckt habe ich diese mit dem Programm Sky Map Pro 7. Beide Programme lieferten Daten, die bis auf wenige Bogensekunden übereinstimmten, ich habe daher im Folgenden nur die Redshift-Daten verwendet.

Seltsame Abweichungen...

Beim Vergleich der von Bauval verwendeten Daten war ich ein wenig irritiert. Bauval schrieb kurz nach Gantenbrinks Auswertung insgesamt drei Publikationen. Zwei Veröffentlichungen im "freien" Journal Discussions in Egyptology (DE), Nr. 26 und 27, und sein Buch Das Geheimnis des Orion / The Orion Mystery (OM). Und in allen drei Publikationen gab es voneinander abweichende Daten. Und sie differieren von den MDAIK-Werten:

Schacht Neigung Bauval Neigung MDAIK Abweichung
König Nord DE26: 32°28'16"
OM  : 32°38'00" / 32°28' *
32°36'08" DE26: 7'52"
OM  : -2'08" / - 8'08"
König Süd 45°00'00" 45°00'00" -
Königin Nord DE27: 40°00'00"
OM  :3900'00" **
39°07'28" DE27: +52'32"
OM  : -07'28"
Königin Süd 39°30'00" 39°36'28" -06'28"
Tab. 2 - Daten Bauval/MDAIK

* : Bauval verwendet zwei Werte: In der Tabelle auf S. 200 (dt. Taschenbuchausgabe) steht der "bessere" Wert 32°38', später verwendet er, z.B. auf Tafel 20 S. 240 einen grob falschen Wert von 32°28'. In der englischen Taschenbuchausgabe von Crown verwendet er durchgehend den falschen Wert von 32°28'
**: Auf S. 201 vermerkt Bauval, daß zum entsprechenden Zeitpunkt keine Messungen vorlagen und daß Gantenbrink den Winkel auf 39° geschätzt habe. Später verwendet er diesen Wert als ob es ein Messwert wäre.

Tja, die Abweichungen sind schon seltsam, speziell da sich Bauval ausgerechnet auf Gantenbrink beruft. Woher diese Abweichungen kommen, ist bislang ungeklärt. Eine Abweichung von 10' bewirkt eine Verschiebung von rund 30 Jahren, die Abweichungen sind daher nicht vernachlässigbar.

Konfusion

Die "normale" Methode zur Datierung der Schächte wäre, das Jahr zu bestimmen in dem Schachtneigungen und Elevation der zugeordneten Sterne übereinstimmen. Wenn dann die Werte der verschiedenen Schächte relativ dicht beieinander sind und Abweichungen durch Bau- und Messfehler begründet werden können, hat man sein gemitteltes Jahr.
Bauval geht ein wenig undurchsichtig an die Sache heran, in dem er "Epochen" einführt, die er nicht näher begründet. Ein Stern soll eine "recht gute Deckung zur Epoche 2475 v. Chr." liefern. Ja was ist denn die Definition für eine "gute Deckung"? Entweder die beiden Werte stimmen in dem Jahr überein oder nicht.

Weiterhin sorgen die "Epochen" für weitere Konfusionen - denn die stimmen nicht überein. Nachdem ich eine deutsche (Knaur 1994), zwei englische (Mandarin 1995, Crown 1994) und die Angaben in DE verglichen hatte, ergaben sich für die drei komplett vermessenen Schächte folgende "Epochen":

Schacht Epoche Knaur englisch DE
König Nord 2450 2425 2425
König Süd 2445 2475 2475
Königin Süd 2450 2400 2450
Tab. 3 - abweichende "Epochen"

Offensichtlich ist die deutsche Version fehlerhaft, ich werde für die Schächte sSK und nSK daher im Folgenden nur die "Epochen" der englischen Ausgaben verwenden. Der Schacht sSR ist problematischer, da die Epoche aus DE 27 mit der der englischen Version übereinstimmt. Allerdings wird in dieser Publikation mit einem krass falschen Wert für die Schachtneigung gerechnet sodaß ich vermute, daß Bauval in seiner Buchveröffentlichung einen angepasste Wert verwendete. Ich werde daher auch dafür den englischen Wert verwenden.

Die Sterne

Schauen wir uns nun die Position der Sterne und die Neigungen der Schächte an. Bauval behauptet von ihnen:

1 Nordschacht der Königskammer:
Der Ägyptologe A. Badaway und die Astronomin V. Trimble entdeckten 1964, daß der kleine Schacht in der Nordseite der Königskammer in den Bereich der Zirkumpolarsterne weist. Bauval modifizierte die These dahingehend, daß der Schacht direkt auf den damaligen Polarstern Thubar (Alpha Draconis) weise: "Während der Pyramidenzeit wurde dieser [der Himmelsnordpol, Anm. FD] durch den Stern Alpha Draconis markiert, das exakte Ziel des nördlichen Schachts der Königskammer."4 ]
2 Südschacht der Königskammer:
Badaway und Trimble kamen ebenfalls auf die Idee, daß der Südschacht der Königskammer in Richtung Orion weisen könnte. Trotz der Verwendung falscher Messwerte (die zur Verfügung stehenden Messungen Petries lagen rund 30 Winkelminuten daneben) stellten sie eine Übereinstimmung zwischen der Schachtneigung und der maximalen Höhe des Oriongürtels über dem Horizont fest. Bauval überprüfte ihre These mit den neuesten Messwerten und meinte feststellen zu können, daß diese Übereinstimmung um 2450 v. Chr. am größten ist. Zu dem Zeitpunkt weist der Schacht genau auf den westlichsten Stern des Oriongürtels. Bauval präzisiert daher, daß "der Schacht genau auf den Stern Al-Nitak oder Zeta Orionis weist".5 ]
3 Südschacht der Königinnenkammer:
Nachdem Rudolf Gantenbrink mit der erfolgreichen Fahrt seines Roboters Upuhaut II zweifelsfrei nachweisen konnte, daß die beiden Schächte der unteren Königinnenkammer nicht nach ein paar Metern aufgegeben wurden, konnte Bauval auch hier symbolische Bedeutungen feststellen. Der südliche Schacht soll zum Beispiel praktisch exakt auf den höchstmöglichen Sirius-Stand am Himmel des Jahres 2450 v. Chr. weisen! Auch die Idee ist nicht neu, Albert Neuburger hatte sie bereits im Jahre 1919, konnte sie wegen der zu ungenauen Vermessung seiner Zeit aber nicht belegen.6 ]
4 Nordschacht der Königinnenkammer:
Der Nordschacht hingegen weist direkt auf den kleinen Bären, genauer gesagt auf den zweithellsten Stern, Beta Ursae Minoris: "Der nördliche Schacht der Königinnenkammer zeigte auf den "Kopf" des kleinen Bären, der aus vier Sternen besteht, die höchstwahrscheinlich die Dechsel repräsentierten, mit deren Hilfe der Horus die Zeremonie der Mundöffnung durchführte".7 ]

Vergleichen wir diese Behauptungen nun mit den astronomischen Fakten (für alle die Bauvals Thesen näher kennen: Keine Sorge, auf die Sache mit den "Epochen" werden ich weiter unten eingehen - nur ein wenig Geduld). Dazu habe ich für die vier Sterne die wichtigsten Daten wie Deklination, Elevation und Abweichung für das Jahr 2450 v. Chr berechnet, und zudem das "echte" Jahr der Übereinstimmung kalkuliert. Anschließend können wir den Fragen nachgehen:

Stern Dek Elev Schacht Fehler Notw. Dekl. Korr. Jahr
Thuban 88°01' 31°57' 32°36' -39' 87°20' -2326
Al Nitak -1449' 44°49' 45° -11' -15°02' -2496
Sirius -20°42' 39°20' 39°36' -16' -20°26' -2348
Kochab 80°38' 39°20' 39°07' +13' 80°51' -2385
Tab. 4 - Stern- und Schachtdaten im Vergleich

Interessant: Schon auf den ersten Blick lässt sich feststellen, daß kein einziger Stern in Bauvals Intervall um 2450 v. Chr. liegt. Drei Sterne liegen weit im Raum 2300 v. Chr, einer dicht an 2500 v. Chr. Das arithmetische Mittel aller vier Sterne liegt bei 2389 v. Chr., 61 Jahre weg von Bauvals angedachter Bauepoche.
Schlimmer ist: Bis auf einen Ausreißer (al-Nitak) liegen alle Sterne recht dicht im Bereich um 2350 v. Chr., mit einer Standardabweichung von 20,33 Jahren. Man würde normalerweise al-Nitak als Ausreißer werten und ein Baudatum 100 Jahre vor Bauvals Wunschperiode annehmen.

Noch ein kleines Problem am Rande: die vier Sterndaten spannen ein Intervall von sagenhaften 170 Jahren auf. Das ist länger als so manche Dynastie, und mehr als doppelt so lang wie der Zeitraum zwischen der allerersten Pyramide und Cheops. Aus einem solchen Intervall kann man keine genaue Datierung ermitteln, so etwas zu behaupten grenzt an wissenschaftliche Quacksalberei.

Bauvals Methodik

Wie aber kommt Bauval auf seine Wunschzeit 2450 v. Chr.? Er mittelt vier sogenannte "Epochen". Die deutsche Version seines Buchs ist fehlerhaft, die Methode macht dort daher keinen Sinn. In der englischen Fassung benutzt er Epochen von 25 Jahren Länge, und seine drei aufgeführten (2425, 2400 und 2475 v. Chr.) ergeben gemittelt ein sauberes 2433 v. Chr., was man durchaus einer Epoche "2450 v. Chr." zuordnen kann.
Aber was sind diese Epochen??? Naja, nichts anderes als ein Trick, um offensichtliche Fehler wegzurechnen. Die Epochen funktionieren ähnlich wie das britische Mehrheitswahlrecht: Es zählt für ihn nur "drin oder draußen" (natürlich sind bei ihm alle Werte "drin"). Fällt ein Wert in den Bereich z.B. der "Epoche 2400" wertet er ihn so, als SEI ER 2400.
Ein lustiges Vorgehen, die wahren Fehler werden dadurch nicht berücksichtigt, ja noch nicht einmal ansatzweise betrachtet. Das ist eine nette Methode um Werte "passend" zu bekommen, hat mit wissenschaftlicher Auswertung allerdings nichts mehr zu tun. Wie man die Auswertung korrekt durchführen würde, zeige ich später.
Bauval führt als Begründung seiner Epochen mögliche Bauungenauigkeiten an, die er damit berücksichtige. Es sei überhaupt keine "echte Übereinstimmung" berechenbar, sondern nur ein Treffer innerhalb eines +/- Fehlerbereichs.
Da er seine Epochen so begründet, dürfte das Jahr der Epoche den Mittelpunkt definieren, die "Epoche 2450" reicht demnach von 2437,5 bis 2462,5.

Schauen wir uns nun mal die Epochen genauer an: Wie schnell zu sehen ist, liegt keiner dieser vermaledeiten Sterne "innerhalb" seiner Epoche. Zur Verdeutlichung hier eine Tabelle mit Schächten, Epochen, dem korrekten Jahr der Übereinstimmung, der Abweichung zur Epochenmitte in Jahren und der Abweichung zum "Epochenrand" in Jahren:

Schacht Epoche korr. Jahr Abw. zur Mitte Abw. zum Rand
König Nord 2425 2326 99 a 86,5 a
König Süd 2475 2496 21 a 8,5 a
Königin Süd 2400 2348 52 a 39,5 a
Tab. 5 - Bauvals "Epochen" und Sterndaten

Staun. Kein Wert liegt in der Nähe seiner "Epoche", da hilft auch kein Rütteln und Schütteln. Oder doch? Ziemlich zu Anfang hatte ich mich doch über die merkwürdigen Schachtneigungen gewundert, die Bauval verwendet hat, und die doch erheblich von den offiziellen Messungen abweichen. Obwohl Bauval diese doch angeblich von Gantenbrink persönlich erhalten habe. Sollten hier etwa bestimmte Beweggründe für diese Veränderungen vorliegen? Rechnen wir nun einmal die Jahre der Übereinstimmung für Bauvals Schachtneigungen nach...

Stern Schacht Neigung Bauval Notw. Dekl. Jahr Differenz
Thuban König Nord 32°28' 87°31' 2360 -34 a
Al Nitak König Süd 45°00' 45° 2496 0
Sirius Königin Süd 39°30' -20°31' 2375 -27 a
Kochab Königin Nord 39°00' 80°59' 2344 +41 a
Tab. 6 - Stern- und Schachtdaten Bauval im Vergleich

Ein Schelm wer böses dabei denkt - aber Bauvals "Anpassung" der Werte schob immerhin zwei kritische Daten um 34 bzw. 27 Jahre näher an das Wunschdatum heran. Nur einem Wert bekam diese Korrektur nicht: Kochab wanderte weiter in die Vergangenheit, aber dieser wird von Bauval eh nicht in die Datierung einbezogen.
Im arithmetischen Mittel der drei von Bauval gewerteten Sterne erhält man nun das Jahr 2410 v. Chr. - und ist auf einmal ganz dicht dran an Bauvals Wunschdatum. Das gibt mir doch sehr zu denken, an einen Zufall möchte ich da nicht glauben.

Dazu ein Schmankerl am Rande: Mein Freund und Mitstreiter Rainer Lorenz interviewte Mitte der 90er für einen Artikel Rudolf Gantenbrink. In diesem Gespräch regte sich dieser darüber auf, daß Bauval falsche Werte für die Schachtneigung verwendet obwohl er ihm die korrekten persönlich gegeben habe. Diese und auch andere "Änderungen" die Bauval durchführte waren damals für ihn unverständlich. Jetzt werden sie glaube ich klarer..

Dennoch verfehlt Bauval das Klassenziel. Verwenden wir sein "Epochen"-Schema von 25 Jahren kommen wir auf folgende Werte:

Schacht Epoche korrekt m. Bauv. Werten
König Nord 2325 2350
König Süd 2500 2500
Königin Süd 2450 2350
Epochen
Tab. 7 - Korrekte Epochen

...was im Mittel übrigens Epoche 2400 ergibt. Die Tabelle zeigt übrigens die Verschiebungen der Daten in Richtung der Wunschepochen durch die Neigungsänderungen...

Wie richtig?

Bauval begründet seine "Epochen" mit einem möglichen Baufehler. Daran ist nichts auszusetzen, solche Fehlerangaben werden natürlich auch in der Wissenschaft berücksichtigt. Nur nicht so wie Bauval es demonstriert
Die saubere Vorgehensweise sieht so aus:

  1. Ermittle die Schachtneigung
  2. addiere/subtrahiere den zugestandenen Baufehler
  3. Errechne für alle 3 Werte die entsprechende Deklination
  4. Bestimme die Daten dieser drei Werte
  5. mache dies für alle Schächte
  6. ermittele daraus ein Durchschnittsjahr +/- Fehler

In der folgenden Tabelle habe ich dies mit den drei von Bauval "periodifizierten" Schächten und den von ihm nicht berücksichtigten Schacht nSB mit seinem Fehlerintervall von +/- 15' berechnet:

Stern Schacht Elev Dekl. Jahr max. Dekl. min. Dekl. max. Jahr min. Jahr
Thuban König Nord 31°57' 87°20' -2326 87°35' 87°05 -2370 -2283
Al Nitak König Süd 44°49' -15°02' -2496 -15°17' -14°47' -2547 -2445
Sirius Königin Süd 39°20' -20°26' -2348 -20°41' -20°11' -2430 -2265
Kochab Königin Nord 39°00' 80°59' -2344 81°14' 80°44' -2415 -2265
Tab. 8 - Fehlerintervalle

Die +/- Fehlerintervalle gemäß Bauvals absurd hoher Toleranz sind:

Stern Schacht Jahr + -
Thuban König Nord -2326 44 a 43 a
Al Nitak König Süd -2496 51 a 51 a
Sirius Königin Süd -2348 82 a 83 a
Kochab Königin Nord -2344 71 a 79 a
Fehlerdiagramm
Tab. 9 - +/- Fehlerintervalle

Die Fehlerbereiche spannen ein Datierungsintervall von fast 300 Jahren auf, die individuellen Fehlerbereiche liegen zwischen 90 und 170 Jahren. Auf einem Fehlergraph sehen diese Werte einfach nur noch lächerlich aus: eine statistisch zufällig verteilte Punktmenge, durch die man mit bloßem Auge beim besten Willen keine Gerade ziehen kann. Die rote Linie ist übrigens Bauvals Wunschzeit. Hätten Sie gedacht, daß man aus diesen Werten auf dieses Ergebnis kommen kann???
Verkleinerte man den Fehlerbereich, wie es die von Gantenbrink gemessene Präzision erforderlich machen würde, sähe das Bild noch schlechter aus - wenn das möglich ist.

Fazit

Die vier Kernbeweise der Schächte hinterlassen einen recht negativen Eindruck von Bauvals Arbeit und seinem Vorgehen. Die Schächte wiesen zwar alle irgendwann einmal mehr oder weniger in die Richtung der von Bauval angegebenen Sterne - aber nie zur selben Zeit!!! Und kein einziger in der von Bauval projektierten Bauzeit. Mittelt man alle "Schachtjahre", erhält man als Durchschnitt eher das Jahr 2400.

Die Schächte sind definitiv nicht zu einer Datierung der Pyramide geeignet, spannen sie doch einen möglichen Zeitbereich von rund 170 Jahren auf, größer als die Länge vieler Dynastien. Selbst wenn durch neue Ergebnisse von Kate Spence eine Pyramidendatierung um 2450 ergeben würde, könnte Bauval dies nicht für sich verbuchen. Weil man mit seiner Methode (vorausgesetzt man verwendet die korrekten Schachtneigungen und Sternpositionen) nie im Leben auf dieses Datum kommen würde.
Diese Eingangsidee, die Bauval einigen anderen Autoren entnommen hat, lässt sich also nicht durch harte Fakten untermauern. Sollte das der Grund dafür sein, daß die entsprechenden Thesen anderer Autoren in der Wissenschaft seit 30, 40 Jahren keine weitere Unterstützung fanden?

Die ganze "Datierung der Schächte-Geschichte" funktioniert nicht. Nur ein Schacht, König Nord, liegt irgendwo in der Nähe eines Datums welches man der Pyramidenzeit zuordnen könnte. Und dieses Datum, 2496, liegt genau zwischen der "orthodoxen" Bauzeit um 2550 und Bauvals Wunschzeit 2450. Und hat dazu noch ein Fehlerintervall von +/- 50 Jahren. Bedenkt man, daß wenn der Pyramidenbau in einem Jahr 2x50 begonnen wurde, die Höhe der Königskammer in der Gegend des Jahres 2x65-2x70 erreicht wurde, passt das Jahr 2550 weit besser in den Fehlerbereich als 2450. Das war also schon mal ein Schlag ins Wasser...

Anmerkungen:
[1] Stadelmann, Rainer, & Gantenbrink, Rudolf; Die sogenannten Luftkanäle der Cheopspyramide; Modellkorridore für den Aufstieg des Königs in den Himmel, MDAIK 50, 1994 S. 285-294
[2] ibd. S. 293
[3] ibd. S. 293 f
[4] Bauval/Gilbert S. 240
[5] ibd.
[6] ibd.
[7] ibd. S. 241
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Alle Bilder und Texte © Frank Dörnenburg