Das Geologenehepaar Alexander & Edith Tollmann veröffentlichten 1993 das viel beachtetes Buch "Und die Sintflut gab es doch", in dem sie die weltweiten Sintflutlegenden auf den Einschlag mehrerer Kometen/Meteoriten auf der Erde vor ungefähr 9550 Jahren zurückführen. Auf einigen Foren wurden Details aus dem Buch besprochen und Fragen auch direkt an mich gerichtet. Zur Zeit der Fragen hatte ich das Buch zwar im Bücherschrank, aber noch nicht gelesen. Für diese Seite habe ich mir ledigleich Einzelkapitel aus dem Buch angesehen - aber das reicht, finde ich...
Diese Legende gehört zu den wahrlich nicht kleinzukriegenden Geschichten auf denen die meisten Katastrophisten-Thesen herumreiten. Denn rund um die Erde sollen Mammuts gefunden sein. Alle von ungefähr gleichem Alter, erstklassig erhalten, teilweise im Gegen eingefroren wie von einer Katastrophe erfasst. Und so gut konserviert, daß selbst noch Butterblumen am Rüssel erhalten geblieben seien.
Im Rahmen der Tollmanns tauchte auch diese Frage auf. Nur: Im Gegensatz zur Meinung der Tollmann-Vertreter sehen die Autoren diese gefrorenen Riesensäuger NICHT als Beleg für ihre These, da sie klar erkennen:
"Cuvier hatte ja bereits zu Beginn des vorigen Jahrhunderts die Kurzfristigkeit von großen erdgeschichtlichen Katastrophen mit dem Aussterben der Mammuts begründet, von denen gerade damals im sibirischen Eis mit Fleisch, Haut und Haaren erhaltenen Exemplare gefunden worden waren. Seine Schlussfolgerung stimmt allerdings noch immer erst bedingt, weil das geologische Alter verschiedener Exemplare solcher im Eis konservierter Mammuts heute von russischen Geologen durchaus unterschiedlich hoch, z. T. bis auf 50 Jahrtausende zurückdatiert wird."[ 1 ]
Damit sprechen die Tollmanns genau das Problem dieser "schockgefrosteten" Katastrophenzeugen an: sie sind nicht gleichzeitig gestorben, sondern in der riesigen Zeitspanne zwischen 11000 und 50000 v. Chr. - und sind daher als Zeugen einer "gleichzeitigen Katastrophe" absolut ungeeignet. Daß es zudem nicht ein einziges "schockgefrostetes" Mammut gibt, kann in den Archiven von Talkorigins bei www.talkorigins.org nachgeschlagen werden. Man kann den Autoren also nicht den Vorwurf machen, die Frostmammuts als Beleg zu verwerten, dies wird ihnen offensichtlich lediglich in den Mund gelegt.
Die Tollmanns haben ein großes Problem, um ihren Impakt als Auslöser vieler Ereignisse heranziehen zu können. Denn im Gegensatz zum nur durch indirekte Indizien nachweisbaren Einschlag gab es ungefähr zu der Zeit ein wirklich nachweisbares Ereignis, welches große Umschwünge auslöste: Das Ende der letzten Eiszeit.
Um den Impakt dennoch als Erklärung hervorheben zu können, schieben die Tollmanns ein "Paradies" zwischen das Ende der Eiszeit und ihr propagiertes katastrophales Ereignis ein. Eiszeit überwunden - das Paradies auf Erden - dann die Katastrophe:
"Die Verifizierung der Sintfluttraditionen und die zeitliche Einstufung des Ereignisses in das 10. Jahrtausend vor heute erlauben es uns nun auch, die weit verbreitete Legende vom einstigen Paradies und der harten Zeit danach richtig zu verstehen. Noch vor dem Einsetzen der Sintflut war nämlich nach dem Ende der Hocheiszeit bereits eine erste Wärmezeit eingetreten. Nach dem harten Überlebenskampf in der letzten Eiszeit war die anbrechende Wärmeperiode mit ihrer üppigen Vegetation und ihrem milden Klima wahrhaft paradiesisch. ...
Als die ausgedehnten Eismassen der Eiszeit vor 15800 Jahren abzutauen begannen, erreichte die Temperatur auch in hohen geographischen Breiten mit mehreren Wärmeschüben ... beinahe die jetzigen Werte und lag im Böllig-Stadium (um 12500 Jahre vor heute) und in der Alleröd-Wärmeepoche (um 11500 Jahre vor heute) bereits über denen der Gegenwart. ... In den niedrigen Breiten war die Temperatur geradezu paradiesisch. Das alte Problem der Bekleidung und der Behausung fiel weg. ..."[ 2 ]
Diese Geschichte enthält viele Halbwahrheiten. Was das Ehepaar Tollmann suggeriert ist, daß die eigentliche Eiszeit schon vor über 2000 Jahren vorbei war. Was später benötigt wird um die Hilflosigkeit der Experten zum Aussterben des Mammuts zu bestärken.
Was das Ehepaar Tollmann VERSCHWEIGT ist die Tatsache, daß die von ihnen erwähnten Wärmeepochen nur kurzfristig waren und von chaotischen Kälteeinbrüchen gefolgt wurden. Das Klima am Ende der Dryas-Epoche, wie der Zeitraum geologisch heißt, "fuhr Achterbahn":
Die Klimatafel dazu gibt es hier: www.ring2.de/seevewetter/chronik/klima%208000vc.html, und viele andere Quellen sprechen von der "Bölling-Alleröd-Oszillation" des damaligen, extrem wechselhaften Klimas. Einen ausführlichen Artikel aus Nature Juli 1997 dazu gibt es hier zum Download (pdf): pangea.stanford.edu/isotope/dunbar/GES164/benson97.pdf.
Genau diese Oszillation kann übrigens einer der Faktoren sein, der zum Aussterben der Mammuts führte...
Von wegen paradiesische Zustände. Das "Klimaoptimum des Holozäns", welches paradiesische Zustände im mittleren Osten brachte und selbst die Sahara in eine feuchte Steppe verwandelte, trat über 1500 Jahre NACH dem propagierten Impakt auf. Weiterhin verschweigt das Autorengespann Tollmann, daß Paradiesschilderungen in den Mythen der Menschheit nicht der Normalzustand sind. Echte Paradies-Schilderungen gibt es sogar nur in Kleinasien, einem Land welches von Eiszeiten und Klimaoszillationen recht unbeeinflusst gewesen sein dürfte. Damit suggerieren die Tollmanns nicht existente Zusammenhänge (wer das fragliche Kapitel genau liest stellt fest, daß die Autoren zwar jede Menge Katastrophenberichte zusammentrugen, zu den für sie wichtigen Paradiesschilderungen aber nur Quellen- und Beleglos schreiben "...erlauben es uns, die weit verbreiteten Legenden vom einstigen Paradies ... richtig zu verstehen."[ 3 ] Das Stichwort selbst taucht auch nur zweimal im Index auf - hm, echt weit verbreitet...
Das Abschnitt bei Tollmann welches sich mit diesem Problem beschäftigt[ 4 ] war das erste Kapitel des Tollmann-Buchs welches ich las. Nachdem ich die Informationen in ihm mit anderen Angaben aus der Literatur verglichen hatte war ich ein wenig überrascht über den Arbeitsstil der Tollmanns, welche doch gestandene Geologen und Wissenschaftler sind. So ist das unzweideutig wichtigste Ereignis des Zeitraums um 10000 v. Chr. Das Ende der letzten Eiszeit. Von den Tollmanns wird dieses einschneidende Ereignis allerdings zur Nebensache degradiert. Offensichtlich um alles auf das Impakt-Szenario hinzubiegen. Dabei gehen sie mit den Fakten nicht gerade zimperlich um.
Unter anderem ist das Kapitel, welches eigentlich harte Fakten zur Korrelation "Aussterben der Großsäuger und Impakt" liefern sollte, gefüllt mit einer Unmenge an Legenden, deren Bezug zum Thema stellenweise nur durch gewagte Interpretationen festgemacht werden kann.
Erst ab Seite 227 kommen die Autoren zum eigentlichen Thema des Kapitels, dem Aussterben der Großsäuger am Ende der letzten Eiszeit. Wie die Autoren allerdings gestehen fand dieses rund 2000 Jahre zu früh für ihre Zwecke statt - und muss daher zurechtgebogen werden[ 5 ]. Zuerst fahren die Autoren die alte Geschichte vom "unzuverlässigen Radiocarbon" auf (welches sie nur 30 Seiten später aber wieder als Beweis benötigen), anschließend daran ein weiterer in der Grenzwissenschaft typischer Trick.
"Aber vergessen wir nicht, daß die hierauf beruhenden amerikanischen Arbeiten auch das Wollhaarnashorn Sibiriens ... vor 11000 Jahren aussterben ließen, während moderne Radiocarbon-Datierungen des reichen Materials von Weichteilen sibirischer Mammuts durch russische Autoren ein geringeres Alter ergeben. So konnte bei einem Jungmammut aus dem Juribey-Tal in Westsibirien ein Alter von 9600 Jahren +/- 300 Jahren ... nachgewiesen werden. Irena Dubrowo vom paläontologischen Institut in Moskau betont, daß das Juribey-Mammut das geologisch jüngste Exemplar einer großen Zahl von datierten Mammuts ist, also offenbar das tatsächliche Aussterbedatum markiert."[ 6 ]
Nachdem ich mich ein paar Tage lang durch diverse Artikel gewühlt hatte, kann ich dazu nur "uff" sagen.
Die Autoren versuchen, durch EIN Mammut das Zeitalter des Aussterbens des Mammuts auf einen geeigneten, Impakt-konformen Termin zu legen. Daß es wirklich nur ein einiges Tier aus dem Altersbereich gibt, verschleiern sie mit unschuldigen Formulierungen wie "So konnte bei einem Jungmammut..." - das suggeriert, als ob dieses eine nur eine Auswahl unter vielen ist , und nicht DAS EINZIGE! Dieses einzelne Tier soll aber für sie das Aussterbedatum definieren.
Nur was ist aussterben? Die Mammuts starben NICHT gleichzeitig aus, wie es der Absatz bei den Tollmanns vermuten lässt. Die Populationen der Mammuts und Mastodonten in Südamerika starben bereits um 14000 vor heute aus, die in Nordamerika um 12000, der Großteil der sibirischen um 11000 - und eine Population in Nordsibirien, auf der flachen Wrangle-Insel, starb sogar erst um 2000 v. Chr. aus!!!
WENN wir also ein AussterbeDATUM festlegen wollen (das Datum an dem das letzte Mammut "ins Gras biss"), dann liegt dies bei für die Tollmanns unkomfortablen 4000 Jahren vor unserer Zeit! Betrachten wir das Aussterben als kontinuierlichen Prozess, so begann dieser vor 14000 Jahren und hatte seinen Höhepunkt zwischen 12000 und 10000 Jahren vor heute erreicht. Daran kann auch ein einzelnes, später gefundenes Mammut nichts ändern.
Das Mammutsterben war definitiv kein Prozess, der an einem Ereignis wie an einem Impakt festzumachen ist, da der Vorgang bereits 5000 Jahre vor dem angeblichen Verursacher-Impakt begann, und erst 5500 Jahre NACH dem Mammutvernichter endete. Besonders spaßig ist dazu noch, daß die letzte überlebende Mammutpopulation den Einschlag auch noch auf einer flachen Insel überlebte!
Die Tollmanns erwähnen diese Wrangle-Insel-Population in ihrem Buch daher sicherheitshalber mit keiner Silbe...
Nachlesen kann man einiges darüber hier:
In diesem Kapitel haben die Autoren gelogen daß sich die Balken biegen. Nicht nur durch ihre sprachlichen Suggestionen, sondern auch durch Zusammenstellung einer eigenen Erdvergangenheit. Ich weiß zur Zeit noch nicht, wie wichtig dieses Kapitel im Gesamtkontext ihrer Beweise ist, aber diese offensichtliche Verfälschung lässt tief blicken.
BTW: ich konnte nirgendwo das von den Tollmanns aufgeführte Datum des Juribey-Mammuts verifizieren. Wirklich alle Angaben, selbst die der Autorin Irena Dubrovo (Schreibfehler im Tollmann-Buch!) sprechen beim westsibirischen Mammut von einem generellen Aussterbedatum von 11000 Jahren vor heute (BP = Before Present). Nur in Nordsibirien überlebten Populationen länger. Nun machten mich einige Angaben im Tollmann-Buch stutzig.
In der Datierung arbeitet man grundsätzlich mit zwei verschiedenen Altersangaben: BP = "Before Present" = "vor heute", und BCE = "Before the Common Era" (hat das christlich fixierte "BC" abgelöst, also Jahre vor dem Jahre Null unseres Kalenders.
Wie bekannt sein dürfte, ist der C14-Gehalt der Atmosphäre nicht konstant, sondern muss anhand von Baumringproben ermittelt werden. In der Radiometrie bestimmt man daher zuerst ein unkalibriertes Datum, welches das reine Carbonalter in "Jahren vor heute" angibt. Um kenntlich zu machen daß es sich um ein nicht kalibriertes Datum handelt, werden solche Daten ohne Datierungsintervall und mit einem kleinen bp geschrieben: 11600 bp wäre so eine Angabe.
Bei einer solchen Angabe würde der Kundige seine Kalibrierkarte hervorzerren (z.B. McCormac/Baillie) und aufgrund des bp-Datums ein kalibriertes BCE-Datum ermitteln (um Kuddelmuddel zu vermeiden, werden die früher üblichen bp/BP-Tafeln nicht mehr verwendet - BP wäre ein kalibriertes "Before Present"-Datum gewesen).
Auf den Kalibrierkarten ist auch ein Intervallbereich eingetragen den man direkt ablesen kann (man verwendet dan Mittelwert der Gaußkurve der bp-Messung als Ordinate auf der Kalibrierungstafel).
An mehreren Stellen im Buch geben die Tollmanns selbst Radiocarbonalter (= nicht geeichte Daten) korrekt als "Karbondaten" ohne Intervall an, das fragliche Datum ist mit einem Fehlerintervall versehen und daher allerhöchster Sicherheit kalibriert. Kalibrierte Daten aber sind mit Sicherheit in BCE angegeben. Um die also auf BP umzurechnen müßte man 1950 Jahre draufaddieren (dieses Datum wurde als "Normdatum" für die BP/BCE-Datierung festgelegt). Und dann läge auch dieses Mammutdatum genau in dem Zeitbereich, der von den "konservativen" Wissenschaftlern als Aussterbedatum der Mammuts in Westsibirien angegeben wird: Um 11000 BP/9000 BCE.
Letztlich ist dies aber unerheblich, da der Gesamtvorgang des Mammut-Aussterbens nicht an einem Datum festgemacht werden kann, und in jedem betrachteten Teilbereich (Beginn, Höhepunkt, Ende) Jahrtausende von Tollmann-Wunschdaten entfernt liegt.
Was war der Grund für das Mammutsterben? In der Tat weiß man darüber immer noch nichts genaues. Man vermutet eine Mehrzahl von Gründen. Die Tollmanns führen an, daß es auch zwischen den Eiszeiten Warmzeiten gab, die die Mammuts unbeschadet überlebten. Allerdings gab es in den chaotischen Endjahrhunderten der letzten Eiszeit einen Unterschied: Waren die Warmzeiten vorher mit trockenem Klima verbunden, fiel das Ende "unserer" Eiszeit durch extreme Feuchtigkeit auf. Neue Untersuchungen zeigten, daß Mammuts zwar einen dicken Pelz, aber keine TALGDRÜSEN besaßen. Der Pelz war daher nicht wasserabweisend und isolierte bei Feuchtigkeit extrem schlecht. Dies führt zu einer Unterkühlung und einem erhöhten Nahrungsverbrauch der Mammuts. Die Feuchtigkeit führte auch, anders als in vorherigen Wärmeperioden, zu einer Faunakippung in Sibirien. Durch den tieferliegenden Dauerfrost konnte das Niederschlagswasser nicht abfließen, und statt einer trockenen, grasreichen Steppe bildete sich eine spärlich bewachsene Sumpflandschaft. Das bepelzte Mammut konnte durch seine geringe Wärmetoleranz nicht nach Süden ausweichen, und fand im Norden nur Sumpf und Feuchtigkeit. Großwildjäger dürften das übrige getan haben. Daß eine Insel in der Beringsee - flach, trocken, unbewohnt - Unterschlupf für Jahrtausende bot bestärkt diese Kombinations-These. Die jedem Impakt-Szenario Hohn spricht.
Auch die weiteren wissenschaftlichen Belege der Tollmanns sehen nüchtern betrachtet nicht ganz so eindeutig aus. Ihr Mammut-Beweis funktionierte ja nur dadurch, daß sie ein einziges Tier aus der Gesamtheit herausgriffen und an ihm einen "Aussterbe"-Horizont festmachten. Ich war bei der Definition ihres Säurehorizontes daher vorgewarnt.
Dieser Säurehorizont, konserviert im Grönlandeis, soll ein direktes Indiz für den Impakt bieten, da sowohl Vulkanausbrüche als auch Einschläge Sulfate als auch Nitrate erzeigen, die sich als Salpeter- und Schwefelsäure über die Erde ausbreiten und sich in Bohrkernen von Gletschereis nachweisen lassen:
"Uns interessiert natürlich auf dieser Skala von Camp Century in Grönland, ob im Zeitraum von fast 10 Jahrtausenden ... ein Säurehorizont außergewöhnlichem Ausmaßes auftaucht, der alle anderen an Intensität weit übertrifft - was ja für den Sintflut-Impakt UNBEDINGT zu erwarten ist"[ 7 ]
Ein solches haben sie offensichtlich gefunden und zeigen diese auf einem Diagramm aus dem Jahre 1980, auf dem die Gesamtkonzentration von Säuren dargestellt wird. Eine von ihnen propagierte Trennung zwischen Nitrate (Impakt) und Sulfat (Vulkan) kann anhand dieser Grafik nicht nachvollzogen werden. Meine Recherchen ergaben, daß Nitrate allerdings in so geringen Mengen auftreten, daß sie nur als "impurities" bezeichnet werden. Vor der Umweltverschmutzung durch den Menschen wurden sie hauptsächlich durch ionisierte Teilchen (Sonnenwind, Supernova-Ausbrüche in der Nähe) erzeugt. Zum allgemeinen Säurehorizont trägt Nitrat wenig bei. Zudem weichen die Autoren ihre Nitratforderung selbst auf:
"Der Gehalt an vulkanischen Partikeln in den begleitenden Staubbändern hilft in dieser Frage nicht weiter, denn wir wissen, daß bei Impakten Vulkanismus in großem Umfang ausgelöst wird und daher dessen Spuren ohnehin zu erwarten sind, also auch mit Schwefelsäure zum Vulkanismus ... zu rechnen wäre."[ 8 ]
Das Thema "Wo haben Impakte Vulkanismus ausgelöst?" möchte ich nur kurz anschneiden, denn ich war nicht in der Lage, diese Behauptung zu verifizieren. Keiner der von mir recherchierten Krater steht mit induziertem Vulkanismus in Verbindung, zur Zeit sieht das nach einer unbelegten Behauptung der Tollmanns aus.
So ist also der Vergleich mit einem Schwefelsäuregraphen nach Aussagen der Tollmanns selbst zulässig. Nach einigem Suchen fand ich dazu auch eine Grafik bei Ice Core Working Group, www.nicl-smo.sr.unh.edu/icwg/icwghtml.html, fig. 13. Der interessante Bereich befindet sich leider nur ganz winzig links in der Ecke der unteren Grafik. Ich habe ihn einmal herauspräpariert und auf dieselbe Skala gebracht wie die Tollmann-Grafik auf Seite 254. Hm, erstaunlich:
Aufgrund der groben Vergleichsgrafik (links) sind leichte Verzerrungen/Verschiebungen zu erwarten, dennoch können überwiegende Übereinstimmungen festgestellt werden (vielleicht findet ja ein Leser eine bessere Grafik). Speziell das Tollmann-Ereignis, rot markiert, sticht hervor. Aber - was sind denn da für ANDERE Peaks direkt davor??? So schreiben doch die Tollmanns selbst als Unterschrift zu ihrem Diagramm:
"Die Marke des ... rund neuneinhalb Jahrtausende zurückliegenden Sintflut-Impaktes ergibt sich mit höchster Wahrscheinlichkeit in dem Horizont von 7640 +/- 170 Jahre v. Chr., der ALLE ÜBRIGEN SÄUREHORIZONTE DER GESAMTEN SERIE AN INTENSITÄT WEIT ÜBERTRIFFT."[ 9 ]
Ihr Impakt soll doch ALLE ANDEREN übertreffen? Und was ist mit den beiden anderen unmittelbar zuvor? Die deutlich höher sind als der Impakt selbst? Wenn es überhaupt einen Mega-Peak gab, dann liegt der rund 4000 Jahre weiter zurück. Dieser Beleg der Tollmanns scheint auf "kreative Diagramm-Kürzung" zurückzugehen.
Nur wenige Zeilen später kommen sie auf C14 zu sprechen. Sie leiten diesen weiteren Fehlgriff mit den folgenden Sätzen ein:
"Da man weiß, daß bei einem Impakt auch die Ozonschicht weitgehend zerstört wird und aus diesem Grunde die eindringende kosmische Strahlung stark zunimmt, ist mit Sicherheit auch ein rasches Anwachsen des radioaktiven Kohlenstoffisotops 14C zu erwarten. Die Neutronen, die durch diese Höhenstrahlung produziert werden, reagieren nämlich mit dem Stickstoffisotop 14N der Luft unter Bildung von 14C""[ 10 ]
Dieser Satz ist gelinde gesagt eine Frechheit. Der Filtermechanismus von Ozon, dargestellt unter anderem hier:
www.cs.ruu.nl/wais/html/na-dir/ozone-depletion/intro.html
www.encyclopedia.com/articlesnew/09732.html)
wirkt lediglich auf elektromagnetische Strahlung wie UV-Licht. Die atomare Prozesse zur Folge haben kann (Ionisieren, also Elektronen ablösen) ABER NICHT DIE GERINGSTE WIRKUNG AUF ATOMKERNE HAT. Um Neutronen freizusetzen benötigt man aber Elementarteilchen, im vorliegenden Falle schnelle Protonen, die Neutronen durch Kollisionen mit Atomkernen hervorrufen. Und diesen Protonen ist es kurz gesagt scheißegal, ob sie mit dem Kern eines isolierten Sauerstoffatoms, oder einem in einem O2- oder O3(Ozon)-Molekül kollidieren. Die Neutronenbrutrate ist ausschließlich abhängig von der atmosphärischen Dichte in der entsprechenden Höhe, und der Stärke des Erdmagnetfelds.
Rein rechnerisch könnte eine existente Ozonschicht die Brutrate von C14 sogar leicht ERHÖHEN. Wenn das Proton bei seinem Einschlag nicht eingefangen wird, stehen mit zwei weiteren Sauerstoffatomen in direkter Nähe zwei weitere Ziele zur Verfügung. Der Effekt liegt aber höchstens im Promillebereich.
Daß die Ozonschicht keine Rolle spielt zeigt sich auch daran, daß diese in 20-50 km Höhe liegt, während die höchste Neutronenbrutrate in 5 bis 15 km Höhe stattfindet - weit unterhalb der laut Tollmanns so abschirmenden Ozonschicht. Damit lässt sich auch diese Behauptung der Autoren ins Reich der Märchen verweisen.
Nun ein Beispiel, wie gut die Tollmannsche Suggestion auf Leser wirkt: Auf S. 256 schreiben sie
"Wenn die Baumringzone im dendrochronologischen Labor noch genauer studiert wird, SOLLTE sich deutlich das Bündel extrem zusammengedrängter Zuwachsringe abheben, das auf die Wurzelschädigung beim Impaktbeben zurückgeht."
Dieses "könnte, würde, sollte" mutiert schnell wie bei diesem Beitrag auf einem Diskussionsforum von einem (inzwischen ehemaligen :-) ) Tollmann-Anhänger zum Faktum:
"Die Ringe von Quercus petraea (Traubeneiche)aus dem Moor geborgen und in der Breite der Ringe mit uralten lebenden Exemplaren und mit Exemplaren der Pinus nigra (Schwarzkiefer)zu vergleichen , lassen eine Zeitbestimmung bis vor 11.000 Jahre von heute zu.
Erstaunlich sind 2 Ergebnisse: 1.vor 9500 Jahren zeigen bis zu 10 Ringe extreme Wachtumsdepressionen und ein signifikanter Anstieg von C 14 lässt sich nachweisen. ..."
tjaaaa...
Als Beweis für ihre (durch den nicht vorhandenen Zusammenhang zwischen Impakt und C14 widerlegte) C14-These präsentieren die Tollmanns eine Grafik, die den Beweis liefern soll:[ 11 ]
"Beim Sintflut-Impakt wäre ein plötzliches Emporschnellen des Gehaltes an diesem radioaktiven Isotop in Form eines steilen Zackens auf der 14C-Kurve zu erwarten. Auf dieser nun verfügbaren Kurve zeigt sich im kritischen Zeitraum tatsächlich ein schroffer vertikaler Anstieg des Radiocarbons..."[ 12 ]
Naja, auch nicht soo schroff wenn man eine normale Kurve durch die Messpunkte legen würde. Um den Effekt zu erzielen haben die Tollmanns, wie sie zugegeben haben, selbst "Hand angelegt" , da die Tollmanns, wie sie zugegeben haben, am Diagramm herumgefeilt haben[ 13 ]. Betrachtet man die reinen Messdaten um 10000 BP (und vergisst die "angepasste Kurve"), so ist dieser Anstieg genauso schroff. Und kommt offenkundig ohne Impakt aus.
Vorgewarnt durch die kreative Diagrammbearbeitung beim Säurehorizont interessierte mich allerdings der "schroffe Anstieg" im Gesamtzusammenhang. Auf der Seite der ETH Zürich educeth.ethz.ch/physik/leitprog/radio/additum.html fand ich eine detailliertere Grafik, die ich hier einmal mit dem Ausschnitt der Tollmanns vergleiche:
Erneutes Staunen: Der bei Tollmann so deutliche Impakt-Peak, der zwischen den beiden roten Markierungen liegt hebt sich in keiner Weise aus dem Gewirr anderer gleichartiger Peaks auf einer größeren Skala ab. So tauchen ähnlich starke kurz vor und kurz nach der fraglichen Periode auf, aber auch 2000 Jahre vorher, und speziell ein gigantisches Anwachsen rund 3000 Jahre nach ihrem angeblichen Impaktereignis. Ich kann insgesamt 13 Peaks zählen, die nach Tollmannscher Lesung alle impaktmäßig ausgedeutet werden müßten. Unter der Voraussetzung, daß ihr 14C-Brutmodell stimmen würde.
Ich habe mich nicht mehr mit weiteren Beweisen auseinandergesetzt, wie dem Alter ihrer Tektit-Streufelder, da ich das Gefühl habe, schon zu viel Zeit mit diesem Buch verschwendet zu haben. Ich habe ein wenig in ihren geschichtlichen Legenden herumgeblättert und mich über ihre frei erfundene (!) ägyptische Sphinx- und Sintflutmythologie halbtot gelacht - das war es dann für mich. Alles in allem habe ich mit ein wenig Internetsuche und Schulstoff die Basisbeweise des Buches aushebeln können, und diese nicht auf Fehler sondern unzweideutige Manipulationen der Autoren zurückführen können. Ich kann Autoren die bei so etwas derart dreist zu Werke gehen nicht trauen, und jeden Beleg nachzuprüfen ob sie wenigstens da die Wahrheit gesagt haben, dafür ist mir meine Zeit zu schade.
Anmerkungen: | |
[1] | Tollmann, Alexander & Edith; Und die Sintflut gab es doch, Knaur 1993 S. 234f |
[2] | ibd. S. 225 f |
[3] | ibd. S. 224, 225 |
[4] | ibd. S. 222-235, "Vom Dinosaurier-Impakt zum Sintflut-Impakt", Kapitel 13: "Massensterben" |
[5] | ibd. S. 231 |
[6] | ibd. S. 232 |
[7] | ibd. S. 253, Hervorhebung durch mich |
[8] | ibd. S. 255 |
[9] | ibd. S. 254 |
[10] | ibd. S. 255 |
[11] | ibd. S. 257 |
[12] | ibd. S. 256 |
[13] | ibd. S. 257, Bildunterschrift zu Abb. 60: "Kurve des Diagramms modifiziert: näher an Einzelmessungen angepaßt" |
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